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Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Titel: Schimmer der Vergangenheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
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hinter mich, und wir spähten die Treppe hinunter.
    „Verdammt!“, hörten wir Jack rufen.
    Ich lehnte mich weiter über das Geländer und sah eine dicke, fette Ratte in wilder Flucht wie ein Ball in einem Flipperautomaten durch den unteren Flur flitzen. Jack war ihr, mit einem Besen ausgerüstet, auf den Fersen.
    „Ob das die richtige Waffe ist?“, zweifelte Anette.
    Die Ratte begann im Kreis herumzulaufen, wobei sie ab und zu stoppte und Jack lauernd ansah. Dann rannte sie wieder los und Jack hinterher. Plötzlich stoppte sie wieder. Jeden Moment könnte sie vorschnellen und ihn beißen. Mein Atem stockte, und ich überlegte fieberhaft, wie wir ihm helfen könnten, doch Jack war schneller und ließ den Besen in dem Moment auf die Ratte niedersausen, als diese sich quiekend zum Angriff entschloss. Man hörte Ratte und Verfolger panisch aufschreien, und Jack wiederholte den Schlag. Leicht außer Atem geraten, starrte er das Opfer an. Es bewegte sich nicht mehr. Langsam ging Jack auf das Tier zu und stieß es vorsichtig mit dem Besen an.
    „Die ist hinüber“, sagte er und grinste zufrieden.
    Ich atmete erleichtert auf, und wir sahen zu, wie Lisa mit einer Art Kohlenschaufel herbeieilte und Jack dabei half, die Ratte aus dem Haus zu schaffen.
    Wir gingen zurück ins Wohnzimmer und genehmigten uns auf den Schrecken einen französischen Cognac. Nach ein paar Minuten war Jack wieder bei uns und füllte sich einen Doppelten ab. Wir lobten sein Heldentum und bedankten uns ausgiebig für die Entsorgung dieser Plage. Er grinste wohlgefällig und nippte genüsslich an seinem Cognac.
    Kaum hatten wir uns von dem Schrecken erholt, kam Karin ins Zimmer gestürmt und ließ sich schwer in einen Sessel fallen.
    „Dieser sture hessische Bauer aus dem vorletzten Jahrhundert!“
    Jack verzog amüsiert die Mundwinkel.
    „Dicke Luft im Hause Meier“, flüsterte er.
    „Das kannst du ruhig laut sagen“, rief Karin.
    Wir erkundigten uns mit gebotener Vorsicht danach, was passiert sei. Johannes hatte Karin wieder nach Hause gebracht, nachdem sie darauf bestand ihre eigene Meinung im Hause seiner Eltern zu vertreten, anstatt sich an seine vorgegebenen höflichen Phrasen zu halten, und gewisse Themen zu meiden.
    „Ich bin doch keine Marionette! Entweder er will mich so, wie ich bin, oder er kann es vergessen“, rief sie erbost und informierte uns darüber, wie sie den angebrochenen Tag zu beenden gedachte.
    Sie wollte in ihr Zimmer gehen und darüber nachdenken, ob es überhaupt möglich war, dass sich ein Mann aus dem 18. Jahrhundert und eine emanzipierte Frau des 20. Jahrhunderts zusammentaten, ohne dass eines Tages Blut fließen würde. Ich wagte das zu bezweifeln und die anderen gaben mir recht. Doch wir würden die weitere Entwicklung zwischen den beiden gespannt weiterverfolgen.
    Am Abend musste Jack sämtliche Schlafzimmer nach Ratten durchsuchen, doch er wurde zum Glück nicht fündig. Ich ließ ihn erst zu mir ins Bett, als er in unserem Zimmer alle dunklen Ecken dreimal untersucht hatte.
     
    Durch den ergiebigen Schnee wurden die Straßen zeitweise unpassierbar, so dass keine Waren mehr angeliefert werden konnten. Der Himmel nahm ein deprimierendes Einheitsgrau an und färbte auf die allgemeine Stimmung ab. Wir kämpften mit Langeweile und diskutierten ab und zu über völlig irrationale Möglichkeiten, einen Zeittunnel oder etwas Ähnliches zu finden. Natürlich kamen wir zu keinem auch nur annähernd durchführbaren Ergebnis.
    Oft unterhielt ich mich mit Anna, und es fiel mir sehr schwer, mich auf belanglose Konversation zu beschränken. Manchmal vergaß ich alle Vorsicht und biss mir schnell auf die Lippe, wenn ich im Begriff war, etwas aus meinem anderen Leben zu erzählen, was sie nicht hätte verstehen können. Doch sie war mir bereits eine Freundin geworden, und einer Freundin gegenüber ist man normalerweise offen, was mich ständig in Konflikte verwickelte. Einmal sagte ich versehentlich: „Das war bei mir und Robert auch so“, und Anna sah mich irritiert an. Dann musste ich mir eine Geschichte überlegen, wer Robert gewesen sein könnte.
    Ich tat es damit ab, dass es sich um einen Mann handelte, der mir in Frankreich ausdauernd den Hof gemacht hatte, und sprach seinen Namen schnell noch einmal mit französischem Klang aus. Dann beeilte ich mich, das Thema zu wechseln, was nicht einfach war, denn darüber hätte sie natürlich liebend gern weitergeplaudert. Nie zuvor tat es mir so leid, ihr nichts von meinen

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