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Schimmer (German Edition)

Schimmer (German Edition)

Titel: Schimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
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Smiley-Gesichts, das aber nicht so richtig lächelte. Der Mund verzog sich zu einer Fratze und die Augen zwinkerten zweimal.  
    »Zweitausendzweihundertzweiundzwanzigeinhalb … Zweitausendzweihundert…«  
    Schnell spuckte ich auf Fishs Hand und wischte das Gesicht weg, bevor Fishs Gedanken abschweifen konnten. Fish rührte sich nicht, er saß nur da und sah mich an, als wäre ich so eine quasselige Quacksalberin auf dem Jahrmarkt, die ihm aus der Hand liest und ihm erzählt, wie viele kreischende, krakeelende Kinder er später mal haben wird.  
    »Zweitausendzweihundertzweiundzwanzigeinhalb«, wiederholte ich. »Stimmt’s?«  
    Fish nickte nüchtern, er sah ernst, aber unerschüttert aus. »Du kannst hören, was ich denke?«  
    »Was du denkst und was du fühlst, glaub ich.«  
    »Dann kannst du also Gedanken lesen, oder was?« Eine Säuselstimme erhob sich aus dem dröhnenden Gebrüll und summte in meinem Kopf.  
    Da stand Bobbi in dem Lagerraum und sah so aus, als würde sie im nächsten Moment alle Plastikschälchen mit Hamburgern und Pommes fallen lassen, die sie trug.  
    »Dann kannst du also Gedanken lesen, oder was?«  

19. Kapitel
     
    Bobbi sah mich und Fish an. Sie hatte alles gesehen und gehört.  
    »Ich wusste es. Ich wusste es «, sagte sie, stellte die Schälchen mit den Hamburgern auf den Tisch und ging ein paar Schritte rückwärts zur Tür. »Ich wusste, dass ihr nicht ganz dicht seid. Das glaubt Will mir nie.« Ehe Fish und ich auch nur ein Wort sagen konnten, war sie schon raus aus dem Lagerraum.  
    Fish sprang vom Couchtisch auf. »Ich muss sie aufhalten!«  
    »Da kannst du nichts machen, Fish«, sagte ich, stand schnell vom Sofa auf und packte meinen Bruder am Arm, damit er nicht irgendeine Dummheit beging. Doch das war gar nicht nötig. Fish blieb wie angewurzelt stehen und starrte zu dem kleinen Fernseher auf dem Aktenschrank.  
    Ich folgte seinem Blick und zog die Luft ein. In der ganzen grieseligen Schwarzweißwichtigkeit, die so ein kleiner Fernseher zustande bringen kann, blitzten Fotos von uns auf – von Bobbi, Will, Fish, Samson und mir –, und über den unteren Bildrand liefen die Wörter ACHTUNG! VERMISST! ACHTUNG! und dazu eine 800er-Nummer, die man anrufen konnte, wenn man uns gesehen hatte.  
    Wir sahen, wie die Fotos bei dem schlechten Empfang flackerten und wackelten, dann gab es einen Schnitt zu einem anderen Reporter, der den Pastor und seine Frau vor der Kirche interviewte. Miss Rosemary sah bekümmert und besorgt aus, Pastor Meeks starr und steif und stocksauer.  
    Fish biss die Zähne zusammen, seine Muskeln waren angespannt. »Wir sitzen echt in der Patsche, Mibs«, murmelte er, ohne den Blick vom Fernseher zu wenden.  
    Ich schaute vom Fernseher zu der Tür, die ins Restaurant führte, und schluckte schwer, ich überlegte, was an diesem Tag noch alles schiefgehen könnte. Unsere Lage hatte sich immer weiter verschlimmert, und ich hatte das Gefühl, dass sie sich so bald auch nicht verbessern würde.  
    In dem Moment, als Fish die Hand ausstreckte, um den Fernseher abzuschalten, sprang die Tür des Notausgangs mit einem lauten, metallisch schabenden Geräusch auf, und Fish und ich erschraken beide so sehr, dass wir einen Satz zurück machten. Ein Schrank von einem Mann in Kapuzenpulli und grünen Elastanshorts sah uns von der Tür her wütend an. Er trug eine goldene Kette um den Hals und an jeder Hand einen großen Goldklunkerring.  
    Ozzie, der Geschäftsführer der Fernfahrer-Raststätte, zog einen Zahnstocher zwischen den Lippen hervor und schnippte ihn über die Schulter zum Parkplatz. Er kam herein und ging wie ein wütender Bison auf Fish und mich los.  
    »Was habt ihr hier drin zu suchen?«, sagte er, und sein Atem war eine aufdringliche Mischung aus Windbeutel und Hähnchenflügeln. »Könnt ihr nicht lesen? Hier darf nur das Personal rein. Haut ab. Verzieht euch.« Ozzie kam näher und wedelte mit den Händen wie ein muskelbepackter Hexenmeister, der Hühner verscheuchen will. »Geht zu euren Eltern oder spielt mit der Jukebox oder was auch immer.«  
    »Wir sind mit Lill hier«, piepste ich, als er uns zu der Tür schob, die zum Lokal führte. »Sie hat gesagt, wir dürfen hier rein.« Aber das konnte Ozzie nicht beruhigen. Im Gegenteil, es machte alles nur noch schlimmer.  
    »DÖÖÖÖT!«, machte er, wie das grelle, übertriebene Geräusch eines Gameshow-Signals. »Falsche Antwort! Lill steht gerade ganz

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