Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schimmer (German Edition)

Schimmer (German Edition)

Titel: Schimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
Vom Netzwerk:
vom Boden aufhob.  
    Es wäre für alle besser gewesen, hätte Ozzie sich ein wenig zurückgehalten. Als er fies und feist über die arme Lill lachte, die jetzt auf dem Boden hockte, um ihren Lohn einzusammeln, brach der Krawall erst richtig los.  
    »Hören Sie mal«, sagte Lester, legte seinen Burger hin und haute mit der Faust auf die Theke; seine Schulter zuckte auf und ab wie die Kolben in dem Motor seines Busses. »So behandelt man doch keine Dame.« Mit diesen Worten schob Lester seinen Teller beiseite und erhob sich, ging um die Theke herum und half Lill, die Scheine aufzusammeln.  
    Im selben Moment beugte Samson sich in seinem Schlupfwinkel hinter der Theke vor und biss den großen, allmächtigen Ozzie fest ins Bein.  
    Ozzie kreischte los wie ein kleines Mädchen, die Bananencremetorte flog ihm aus den Händen und landete mit einem ekelhaften Platsch vor ihm auf dem Boden, Sahneseite nach unten.  
    »Na warte, du kleiner …!« Während Ozzie sich das Bein hielt und auf einem Fuß herumhüpfte, holte er drohend das Kuchenmesser wieder aus der Schüssel.  
    »Nein!«, schrie ich.  
    Als Bobbi und Will sahen, dass Samson hinter der Theke aufgetaucht war und sich in Reichweite des wütenden Mannes mit dem Messer befand, kamen sie quer durch das Lokal gerannt. Beide versuchten über die Theke nach dem Messer zu greifen, während Samson zur anderen Seite hinausflitzte und von Ozzie weg in Richtung Lagerraum rannte. Fish und ich stürmten los und stießen Ozzie mit vereinten Kräften in den muskulösen Rücken, so dass er nach vorn stolperte und durch die Torte schlitterte. Der bullige Kerl rutschte auf einem Fuß durch Bananen und Creme dahin, während Fishs Wutwind durch das Lokal fegte und Ozzie noch mehr aus dem Gleichgewicht brachte. Mit einem dumpfen Schlag plumpste Ozzie aufs Hinterteil.  
    Die rothaarige Kellnerin schrie, die Gäste sprangen auf, unschlüssig, ob sie helfen sollten und, wenn ja, wem.  
    »Wir müssen hier raus!«, rief Bobbi, sauste um die Theke herum und half Lill und Lester das restliche Geld einzusammeln. Dann trieb sie zusammen mit Will junior die beiden verdatterten Erwachsenen an dem fluchenden, strampelnden Ozzie vorbei zur Personaltür, um durch den Notausgang zu entkommen, und Fish und ich folgten ihnen, ohne zu zögern.  
    Auf dem Weg durch den Vorratsraum schnappte Lill sich ihren Pulli vom Haken und sah uns kopfschüttelnd an. Sie war rot im Gesicht und ihre großen weißen Schuhe waren kuchenbekleckert.  
    »Tut mir leid«, sagte Lill atemlos, als wir zum Ausgang rannten. »Sieht so aus, als müssten die bösen Kinder und Außenseiter wieder los.« Sie zeigte auf die Schälchen, die immer noch auf dem Schreibtisch standen, wo Bobbi sie abgestellt hatte. »Schnappt euch die Hamburger, Kinder. Die könnt ihr im Bus essen.« Lill schaute zu Samson hinab, der ihre Hand gefasst hatte und bekümmert aussah. »Tut mir leid mit der Bananencremetorte, Kleiner«, sagte Lill aufrichtig. Lester blieb wie angewurzelt stehen.  
    »Wartet mal kurz!« Lesters entschiedener Ton ließ uns alle verharren. Ohne ein einziges Mal zu zucken, hob er einen Finger, als wollte er das Kommando zum Angriff geben, dann drehte er sich um und verschwand durch die Tür wieder ins Lokal. Einen Augenblick dachte ich, jetzt wäre Lester völlig durchgeknallt und aus Versehen in die falsche Richtung gelaufen. Doch eine Sekunde später war er schon wieder da und hielt eine zweite Cremetorte wie eine Trophäe über den Kopf. In Windeseile rannte er zum Ausgang, und Lill versetzte dem schäbigen Sofa im Vorratsraum einen letzten entschlossenen Tritt, genau wie sie es mit ihrem kaputten Auto gemacht hatte. Dann schob sie uns hinter Lester aus der Tür, und wir taumelten hinaus auf den Parkplatz hinter dem Lokal, weg von Ozzie und der Fernfahrer-Raststätte von Emerald.  

20. Kapitel
     
    Als wir in den Frühlingsabend hinausrannten, war die Luft kühl und frisch mit einem Schuss Dieselabgasen und Hähnchenkroketten. Nach dem Gelärm und Getöse in dem Lokal war es draußen sehr angenehm, eine beruhigende Stille aus Himmel und Pflastersteinen. Auf der Straße vor der Raststätte hörte ich Autos, doch sie klangen nur wie Wellen, die ans Ufer schwappten.
    Niemand sprach, als wir im Licht der einzigen Straßenlaterne schnell über Schlaglöcher sprangen und im Slalom um Lastwagen und Sattelschlepper zum anderen Ende des Parkplatzes liefen, wo die kleine Gasse war. Wir schauten uns immer

Weitere Kostenlose Bücher