Schimmer (German Edition)
oben auf meiner Abschussliste. Es fehlt nicht mehr viel, dann fliegt sie.« Damit schob Ozzie Fish und mich aus dem Lagerraum.
Als ich mich wieder mitten in dem lauten Stimmengewirr befand, gab ich mein Bestes, um nicht aus der Fassung zu geraten, und überlegte, wie ich die donnernden Gedanken, die nicht zu mir gehörten, dämpfen könnte, aber das konnte Jahre dauern – grässlich lange Jahre mit diesem dämlichen Schimmer – und ich hatte keine Ahnung, wie ich es anstellen sollte.
Ich hielt mich so weit wie möglich am Rand des Geschehens, stand schwankend neben der langen Theke, an der Wand, die der Küche am nächsten war. Ich nahm das Klappern von Tellern auf Tellern in der Küche wahr, das Klirren von zu Boden fallendem Besteck und das Zischeln und Brutzeln der Hamburger. Doch die lärmenden Stimmen in meinem Kopf wälzten sich über die gewöhnlichen Geräusche wie Schlachtschiffe über einen aufgewühlten Ozean.
Ich hätte nicht sagen können, ob der Raum sich drehte oder ob ich es war, und die nun folgende Szene rauschte an mir vorbei wie eine Serie von Schnappschüssen, untermalt von dem penetranten Potpourri fremder Gedanken und Gefühle.
Als Ozzie das Lokal betrat, stand Lill hinter der Theke, drei Torten vor sich, und schnitt gerade mit einem langen, keilförmigen Kuchenmesser die Bananencremetorte an. Lester saß auf einem runden Hocker in ihrer Nähe, er biss in einen dicken Hamburger und kleckerte gelben Senf auf den rosa Schlips.
»Bobbi steht mit Will junior an der Jukebox«, sagte Fish mir ins Ohr. Ich schaute zur anderen Seite des Raums und sah, wie Bobbi mit Will sprach und zu uns zeigte.
»Sie erzählt ihm alles«, sagte Fish düster. Ich sah, wie Will zwischen mir und seiner Schwester hin- und herschaute, aber inzwischen tat mein Kopf so weh, dass es mich nicht kümmerte. Und jetzt hatte Ozzie auch wieder angefangen zu brüllen.
Er ging zu Lill hinüber, packte die Bananencremetorte und nahm ihr das Messer aus der Hand.
»Das war’s, Lill«, sagte Ozzie und fuchtelte mit dem sahneverschmierten Messer in der Luft herum, dabei traf er Lester mit einer verirrten Bananenscheibe am Kopf. »Meine Geduld ist am Ende. Du magst ja eine ganz passable Bedienung sein – wenn du ausnahmsweise mal pünktlich bist –, aber mir reicht’s jetzt. Das ist das letzte Mal, dass du zu spät kommst, und das letzte Mal, dass du in meinem Lokal Torte schneidest.«
»Aber Ozzie …«, setzte Lill an.
»Ich will, dass du auf der Stelle verschwindest, Lill Kiteley!«, schrie Ozzie in seinen Elastanshorts. Ganz offensichtlich genoss er den Klang seiner eigenen Stimme und die Aufmerksamkeit, die ihm die rothaarige Kellnerin schenkte. Jetzt hatten alle in der Raststätte aufgehört zu reden und beobachteten die Szene, die sich zwischen Ozzie und Lill abspielte. Sogar der Song in der Jukebox verstummte, als wollte er mithören. Lester ließ seinen Hamburger sinken und wischte sich mit einer langsamen Bewegung die Banane aus dem schütteren Haar. Will und Bobbi traten näher an die Theke heran, blieben jedoch stehen, als sie sahen, dass Ozzie das Messer schwang. Jetzt, wo sich die Aufmerksamkeit aller auf den großen, allmächtigen Ozzie richtete, verstummten sogar die Stimmen in meinem Kopf.
Ozzie hielt immer noch die Torte in der Hand, als vertraute er Lill nicht genügend, um sie in ihrer Nähe abzustellen, und legte das Messer in eine Waschschüssel unter der Theke. Als ich ihm dabei zusah, entdeckte ich Samson, der still und leise neben der Schüssel unter der Theke saß, so dunkel und schemenhaft, dass Ozzie ihn überhaupt nicht bemerkt hatte.
»Ozzie, ich kann dir …«, setzte Lill wieder an.
»DÖÖÖÖT!« Ozzie gab wieder diesen nervigen Gameshow-Ton von sich und schnitt Lill das Wort ab. »Du bist draußen, Lill!«
Ozzie drehte sich um, die Torte in der linken Hand, mit der Rechten öffnete er die Kasse. Er nahm ein Bündel Scheine heraus und warf sie mit einer theatralischen Geste Lill entgegen, die so aussah, als könnte sie jeden Moment mit einer Tränenflut weggespült werden, sollte sie die Fassung verlieren und der Damm brechen.
»Da«, sagte Ozzie, als die Geldscheine vor Lills großen Füßen zu Boden flatterten. »Heb deinen Trostpreis auf – dein letzter Lohn, das dürfte reichen.«
Ich sah, wie die rothaarige Kellnerin feixte, als Lill sich mit der ganzen Würde, die sie zustande brachte, bückte und das Geld
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