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Schimmer (German Edition)

Schimmer (German Edition)

Titel: Schimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
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der erneuten Attacke der Gedanken und Gefühle und Fragen und Antworten all dieser fremden Leute wurde mir ganz übel.  
    Schwindel erfasste mich, der Raum wankte, und ich stolperte; ich legte mir vergeblich die Hände über die Ohren und versuchte mich auf den Beinen zu halten. Fish fasste mich an einer Seite, Will an der anderen, wütend starrten sie sich an, während sie mich beide stützten.  
    »Ach herrje …«, sagte Lester, steckte die Hände in die Hosentaschen und trat einen Schritt zurück, fallende Mädchen überforderten ihn offenbar.  
    »Alles klar, Schatz?«, fragte Lill und drehte sich hilfsbereit zu mir um. Sie achtete nicht auf die Frau in grünweißer Arbeitskleidung, die genauso aussah wie ihre eigene. Die andere Frau hatte rote Haare und schaute mürrisch drein, sie versuchte Kannen mit Kaffee und Wasser in Lills Richtung zu schieben und jammerte wie eine nasse Katze über Lills Zuspätkommen.  
    »Ich glaub, die lange Busfahrt ist meiner Schwester nicht bekommen«, sagte Fish nervös und hastig zu Lill. Fish versuchte Ausreden für mich und meinen Schimmer zu erfinden, obwohl er sich noch nicht ganz im Klaren war, wofür er da Ausreden erfand. Ich war ihm dankbar und schämte mich. Ich wusste, dass ich ihm alles erzählen musste: über die Stimmen und dass ich uns alle für nichts und wieder nichts in diesen Schlamassel geführt hatte.  
    »Hm, vielleicht sollte Mibs sich eine Weile im Hinterzimmer hinlegen«, sagte Lill. Mit schnellen langen Schritten, mit denen wir anderen nur hüpfenderweise mithalten konnten, führte sie uns an dem Geseier und Geschimpfe der Rothaarigen vorbei, an Tischen voller Gäste und ihren gellenden Gedanken. Lill führte uns an einer langen Theke entlang, an der Leute auf runden Hockern saßen, Zwiebelringe aßen und Kaffee tranken, und brachte uns zu einer Personaltür neben der Küche.  
    Wir fanden uns in einem engen Lagerraum wieder, in dem es nach Ketchup, sauren Gurken und Senf roch. Lill zog ihren Pulli aus und hängte ihn an eine Garderobe an der Innenseite der Tür. Die Wände waren vollgestellt mit Regalen, darin waren Brötchen, Mayonnaisegläser und riesige Dosen mit Bohnen und Tomaten; es erinnerte mich an unseren Keller damals in Mississippi und Oma Dollops Radiogläser. In der einzigen regallosen Ecke standen Aktenschränke, ein überladener Schreibtisch und ein durchgesessenes Sofa. Neben einer Hintertür mit der Aufschrift Notausgang lag ein Stapel Zeitungen auf dem Boden, und vor dem Sofa stand ein Couchtisch, der mit Krümeln und leeren Getränkedosen bedeckt war.  
    Auf einem der Aktenschränke befand sich ein kleiner Schwarzweißfernseher, dessen schiefe Antenne mit Schleifen aus zerknüllter Alufolie verziert war. Im Fernsehen liefen die Abendnachrichten mit armseligem, grieseligem Bild. Ein Nachrichtensprecher berichtete von irgendwo in Kansas, es ging um unerklärliche Stromausfälle und beschädigte elektrische Leitungen, die am Highway 81 entlangführten, fast durch ganz Kansas, bis nach Salina. Fish und ich tauschten wissende Blicke, wir waren uns ziemlich sicher, dass Rocket da seine Finger im Spiel hatte.  
    Lill stellte den kleinen Fernseher leiser und sagte zu Fish und Will, sie sollten mich auf das Sofa legen, doch ich machte eine Handbewegung, als wollte ich lästige summende Fliegen verscheuchen. Es half schon, einfach nur in dem Hinterzimmer zu sein. Mein Kopf tat immer noch furchtbar weh und mein Magen wollte wirbeln und springen und tanzen. Ich hörte immer noch all die Stimmen, aber hier im Lagerraum waren sie leise gestellt wie der Fernseher. Ich saß auf der Kante des zerschlissenen Sofas, starrte zu Boden und versuchte nicht hinzuhören – versuchte alle Geräusche, die in meinem Kopf und die draußen, zu einem endlosen, quälenden Dröhnen zusammenfließen zu lassen, während ich den Hoffnungen auf meinen Schimmer nachtrauerte – und denen für meinen Poppa.  
    »Sie braucht nur ein bisschen Abstand«, sagte Fish über das Stimmengewirr in meinem Kopf hinweg zu den anderen.  
    »Jetzt muss ich aber wirklich an die Arbeit«, sagte Lill entschuldigend und hakte sich bei Lester unter, der neben ihr stand. »Vielleicht hab ich heute Abend ja Glück, Leute. Ich hab den großen, allmächtigen Ozzie nicht gesehen, als wir reinkamen.« Sie klang erleichtert, lachte ihr kleines Lachen, stieß Lester mit der Hüfte an und warf ihn dabei fast um.  
    »Ozzie ist der Geschäftsführer, und wenn er sehen würde,

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