Schimmer (German Edition)
eigenes Spezialwissen anbringen konnte. Bevor Lill wiederkam, flitzte ich zu Bobbi und sagte ihr ganz genau, was sie zu tun hatte. Sie sah mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle.
»Sie glaubt, du bist verrückt«, sang ihr Tattoo-Engel in meinem Kopf.
»Das hier ist was anderes, als die Schulsekretärin reinzulegen, Mibs«, flüsterte Bobbi rau. »Was machen wir, wenn es schiefgeht?«
Aber da hörten wir schon, wie Lill sich die Hände wusch, es war keine Zeit, zu diskutieren. »Mach’s einfach«, sagte ich und zeigte auf die Nummer, die auf dem Moteltelefon aufgedruckt war.
Bobbi wählte und warf einen Blick über die Schulter, während sie in dem anderen Zimmer anrief. Die Badezimmertür ging auf und Lill trat wieder ins Zimmer, glättete ihren Rock und kratzte an einem getrockneten Tortenspritzer. Sie schaute auf und Bobbi legte los.
»Hallo, Mom, ich bin’s, Bobbi.« Bobbi blitzte mich kurz an, als sie angeblich mit ihrer Mutter sprach, während Fish in Nummer 215 stumm am anderen Ende der Leitung saß. Doch Bobbi war eine gute Schauspielerin, während des kurzen einseitigen Gesprächs vergaß ich für einen Moment fast selber, dass es nur Show war, als sie der Luft erklärte, wo wir waren, wie wir hierhergeraten waren und dass wir morgen zum Krankenhaus nach Salina fahren würden.
»Nein, Mutter, es kann gar nichts passieren, versprochen!«, sagte Bobbi. »Ja, Mutter, du kannst Mibs sprechen. Sie steht neben mir …«
Bobbi verdrehte die Augen und ließ theatralisch die Schultern sinken, als sie mir den Apparat hinhielt. Ich schaute Lill ängstlich an und nahm das Telefon in der Hoffnung, auch nur halb so gut schauspielern zu können wie Bobbi. Ich drückte das Telefon einen Moment an die Brust, als wartete ich auf den Mut, es ans Ohr zu halten.
»Ich seh mal nach den Jungs«, sagte Bobbi, schnappte sich eine Schlüsselkarte und stand auf. »Danach will meine Mutter mit Ihnen sprechen, Lill«, sagte sie, öffnete die Tür und knallte sie hinter sich zu. Lill war blass im Gesicht. Sie kaute an der Nagelhaut ihres kleinen Fingers und holte tief Luft. Man konnte ihr anmerken, dass sie sich nicht darauf freute, mit der Frau des Predigers zu sprechen, und ich empfand Scham und Mitleid, weil wir so ein falsches Spiel mit ihr trieben. Es ist zu ihrem eigenen Besten, sagte ich mir dann wieder, und als ich hörte, dass Bobbi gegenüber an die Zimmertür klopfte, hielt ich den Apparat ans Ohr.
»Miss Rosemary? Hier ist Mibs. Es tut mir leid …«, begann ich. Ich sprach stockend und konzentrierte mich darauf, längere Pausen einzulegen, damit es so aussah, als bekäme ich einen Anpfiff von Miss Rosemary.
Am anderen Ende der Leitung klackte es.
»Du fährst direkt zur Hölle, Mississippi Beaumont«, sagte Bobbi mit einer Stimme, die so sehr wie Miss Rosemarys klang, dass mir fast das Telefon aus der Hand gefallen wäre. Sie kicherte. »Jetzt gib mir diese Kellnerin. Dann sprich ein Gebet.« Bobbi machte ihre Sache viel zu gut. Ich hoffte, dass sie die arme Lill nicht zu hart anging.
Ich hielt Lill den Apparat hin und schluckte schwer.
»Sie will dich sprechen«, sagte ich.
Die ganze Zeit, während Lill mit Bobbi-Schrägstrich-Miss-Rosemary telefonierte, hielt ich die Luft an. Ich wusste nicht genau, was Bobbi sagte – ich konnte nur ein, zwei Wörter aufschnappen, als ihre Stimme höher und lauter wurde und durch den Hörer drang. Doch Lill versuchte keinen Zweifel daran zu lassen, dass wir Kinder gesund und munter und bei ihr und Lester in guten Händen waren. Sie gab den Namen des Motels und unsere Telefonnummer durch.
»Wir bringen die Kinder gern nach Haus oder zum Krankenhaus in Salina, Mrs Meeks, es sei denn, Sie möchten lieber kommen und sie hier abholen«, sagte Lill nervös.
Meine Lunge war kurz vorm Platzen. Ich hätte zu gern Bobbis Antwort gehört, sie war wirklich fix im Flunkern, und ich war unschlüssig, ob ich sie für dieses Talent bewundern oder bedauern sollte.
Schließlich wurde das Gespräch ruhiger. »Das ist kein Problem, Ma’am«, sagte Lill. »Dann also bis morgen in Salina.«
»Ja, Ma’am …«
»Vielen Dank, Ma’am …«
»Gott segne Sie auch, Ma’am …«
Ich sah Bobbi genau vor mir, wie sie in dem anderen Zimmer saß und zu Lill mit Miss Rosemarys strenger Stimme »Gott segne Sie« sagte. Ich schüttelte den Kopf, betete, dass Bobbi es nicht zu weit trieb, und hoffte, dass
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