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Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)

Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)

Titel: Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Randt
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wahrscheinlich, sondern über das, was sich mutmaßlich hinter diesem Brand verbergen könnte. Beziehungsweise über das, was seine Mutter in diesen Brand hineinlesen würde. Seit ihrer gemeinsamen Volvofahrt scheint Wesley in jeder Situation mitzudenken, welche Haltung seine Mutter dazu hätte. Ich vermute, dass ihn das für einige Zeit sehr froh machen wird. Es heißt, dass Einsteiger in den Neo-Spiritualismus zunächst einfache Entspannungstechniken erlernen, die ihnen ein Gefühl der Ruhe und Überlegenheit geben. Deshalb probieren das ja auch einige aus, um es dann aber bald wieder sein zu lassen. Kritikern zufolge kann sich das anfängliche Souveränitätsgefühl schon bald verhärten, und dann kann eine stumpfe Genügsamkeit daraus erwachsen, eine Art dauerhaftes Völlegefühl. Aber Wesley hat diese Informationen sicher alle selbst, er wird sich kritisch beobachten, er wird seinen Lebensstil hinterfragen. Ich wünsche ihm nur das Beste.
    Ich wähle Carlas Nummer, habe aber nicht vor, es besonders lange klingeln zu lassen. Sie hebt sofort ab.
    »Wim?«
    »Habe ich dich geweckt?«
    »Nein … wie soll man schlafen, wenn ständig Sirenen zu hören sind?« Im Hintergrund scheint ihr TV-Gerät zu laufen. Ich muss davon ausgehen, dass sie in ihrem breiten Bett liegt und einen optimalen Blick auf den Bildschirm hat.
    »Du hast jetzt doch Geburtstag.«
    »Seit knapp viereinhalb Stunden. Ja.«
    »Alles Gute.«
    »Danke.«
    »Ist Dustin bei dir?«
    »Ist das wichtig?«
    »Absolut nicht. Nein. Carla … bevor wir jetzt auflegen, muss ich dir noch etwas sagen …« Ich höre sie seufzen, vielleicht sentimental, vielleicht genervt. Durchs Küchenfenster blickend spreche ich weiter: »Ich habe ein Keyboard gekauft. Das wollte ich dir eigentlich zu deinem Geburtstag schenken, obwohl wir kein Paar mehr sind. Damit du mal in andere Klangwelten eintauchen kannst. Aber jetzt will ich es lieber selbst behalten. Ich habe meine Keyboardneigung entdeckt, weißt du? Ich hoffe, das ist okay für dich.«
    Dann lege ich auf, ohne auf eine Antwort zu warten, und schreibe meine allererste Kurznachricht an die Service-Telefonnummer des Fachgeschäfts:
    ›Liebe Keyboarderin. Ist es möglich, Unterrichtsstunden bei dir zu nehmen, sobald das Colemen-Feuer gelöscht wurde? Wim.‹
    Draußen wird es hell. Die Rauchschwaden wirken jetzt dünner, und bald höre ich aus den Nachbarwohnungen Applaus. Es scheint an der Zeit zu sein, nun doch den Fernseher einzuschalten.
    Als die Keyboarderin in der Tür steht, habe ich kaum geschlafen, fühle mich jedoch ungemein klar. Sie scheint etwas Wachs in ihre kurzen Haare einmassiert zu haben. Zuerst lächelt sie, dann schaut sie sehr ernst, sie kontrolliert ihre Mimik perfekt.
    »Du trägst ja gar nicht deine beigefarbene Uniform« , sage ich.
    »Aber du siehst immer noch recht verstört aus« , sagt sie.
    »Komm rein. Ich habe verschiedene Saftsorten im Kühlschrank.«
    Es kommt mir so vor, als würde uns auf Anhieb eine Art Meta-Gespräch gelingen. Vermutlich hilft es, dass ich so übernächtigt bin. CarlaZwei bittet um eine Grenadinesaftschorle, was für sich genommen gar kein so starker Gag wäre, doch da Grenadinesaft und Mineralwasser tatsächlich in meinem Kühlschrank stehen, erfülle ich ihren Wunsch einfach wortlos. Und das macht es dann schon wieder charmant, so sehr, dass wir beide fast lachen müssen.
    »Hast du heute Nacht geschlafen oder ferngesehen?« , frage ich.
    »Beides im Wechsel. Teilweise habe ich aber auch auf meinem Balkon gestanden und zu den Hills hinaufgeschaut.«
    »Ich saß bis in die Morgenstunden an diesem Fenster hier. War heute auch noch gar nicht draußen. Wie ist es denn so?«
    »Es wird gefeiert. Alle freuen sich, dass der Brand gelöscht wurde, auch alle Touristen. Etwas Besseres konnte diesem Marvin Chapmen gar nicht passieren.«
    »Vielleicht. Hast du ihn gewählt?«
    »Natürlich nicht. Du?«
    »Nein.«
    Wir trinken aus unseren Saftgläsern. Das Schweigen ist dabei gar nicht unangenehm, es ist eher spannend, auf eine unverschwitzte, selbstbewusste Art irgendwie.
    »Wo hast du das Keyboard denn aufgebaut?«
    »Im Wohnzimmer. Soll ich es dir zeigen?«
    Das Keyboard steht direkt vor dem breiten Balkonfenster und wird um diese Tageszeit, gegen vierzehn Uhr, vom Sonnenlicht angestrahlt. CarlaZwei stellt ihr Glas ab und fängt an, ein eher getragenes Lied zu spielen. Sie schließt dabei die Augen, weil ihr die Sonne ja prall ins Gesicht scheint, und nach knapp zwei

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