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Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)

Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)

Titel: Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Randt
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fragt Wesley, während ich mir die Augen reibe. Er sitzt am runden Tisch und liest Zeitung, vor ihm steht eine Karaffe voller gelbem Fruchtsaft.
    »Wo sind Amy und Max?« , frage ich.
    »Vor gut acht Stunden nach Hause gegangen.«
    Ich setze mich nach vorn gebeugt hin und fahre mir mit den Händen durchs Haar. So mache ich das immer, wenn ich Kopfschmerzen habe.
    »Da zieht Rauch über die Häuser« , sagt Frank, als er in seinen viel zu knappen Shorts vom Balkon kommt. Wesley schaut über seine Zeitung hinweg: »Stimmt. Es riecht auch verbrannt.« Ich hole mehrfach tief Luft, um das zu überprüfen, kann jedoch nur Franks Deodorant riechen, nämlich ColemenSimpleForMen, und denke, dass ich das jetzt nicht mehr benutzen werde.
    Weil bald auch Sirenen zu hören sind, stellen wir uns zu dritt nach draußen. Erneut legt Frank seinen Arm um Wesleys Hüfte. Es geht nun wohl darum, ganz eng zusammenzurücken. Wesley deutet in den Norden: »Der Rauch kommt von den ColemenHills.«
    Mein Dad hebt sein Telefon nicht ab, und Frank scheint sonst nie mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, er liegt bald abgeschlagen zurück. Wesley und ich sprechen kein Wort. Wir sind auf seine Initiative hin in Richtung der Unfallstelle aufgebrochen, anstatt den Fernseher einzuschalten. Wesley hat gemeint, dass er eine neue Skepsis gegenüber den CobyCounty-TV-Anstalten empfindet, spätestens seit diesem Wahlabend. Immer wieder steige ich aus dem Sattel und fahre sportiv im Stehen, während Wesley stoisch sitzen bleibt. Es wirkt gerade so, als habe er sich in den USA bewusst gegen das Radfahren im Stehen entschieden.
    »Lass uns mal auf Frank warten« , sagt er unvermittelt. Wir halten neben dem Schaufenster eines Spielwarengeschäftes und schauen Frank entgegen. Er fährt fast die ganze Zeit im Stehen, sein weit ausgeschnittenes T-Shirt beult sich im Wind aus. Wesley sagt: »Das Rad ist viel zu klein. Er kann nichts dafür.«
    »Schon gut.« Ich muss kurz husten, vielleicht weil schon so viel Rauch in der Luft liegt. Ich überlege, ob der Rauch den Himmel verdunkelt, ob jetzt eine ewige Nacht über Marvin Chapmens Stadt hereinbrechen könnte, aber dafür wird der Brand wohl nicht großflächig genug sein.
    »Tut mir leid!« , sagt Frank, als er uns erreicht hat. Er ist außer Atem und blickt in das Schaufenster mit den Spielwaren. Wesley lächelt und schweigt. Dann fahren wir weiter, langsamer als zuvor. TV-Stimmen und -Jingles dringen aus den geöffneten Fenstern, die Geräuschkulissen überlagern sich, es sind zu viele verschiedene Sender eingeschaltet. Manche Menschen stehen auf ihren Balkons, andere auf der Straße. Auf Fahrrädern sind außer uns nur einige Zwölfjährige unterwegs, die meisten schneller als Frank.
    Es hat keinen vernünftigen Grund für diese Fahrt gegeben, überlege ich dann, als wir am Fuße der ColemenHills neben unseren Damenrädern stehen bleiben und den Rauchschwaden entgegenblicken. Ich lege eine Hand vor meinen Mund. Über uns sind die ersten Helikopter zu hören. Nach einigen Momenten blicke ich auf mein Handy. In einer SMS meines Dads steht: ›Hatte gerade kein Netz. Wir sind zu Cassandras Eltern gefahren. In drei Tagen zurück. Einweihung naht … Bis bald!‹

18 ↵
    Noch spät in der Nacht kann ich die Scheinwerfer der Löschhubschrauber über den ColemenHills kreisen sehen. Mittlerweile kommt es mir vor, als wären die Lichter von Minute zu Minute deutlicher zu erkennen, als klärte sich der Himmel auf, weil die Flammen in sich zusammenschrumpfen. Ich blicke durch mein Küchenfenster und umfasse eine warme Tasse Tee. Natürlich übertragen auch weiterhin alle regionalen TV-Anstalten die Löschaktion, aber diese Übertragungen werden sicher von Kommentatorenstimmen dominiert, und wenn ich allein bin, dann sitze ich lieber geräuschlos am Fenster.
    Am Nachmittag habe ich es weniger lang am Fuße der Hills ausgehalten als Wesley und Frank. Teilweise hatte ich den Eindruck, als würde Frank diese Extremsituation, umwölkt vom Feuerrauch, geschickt dafür nutzen, um Wesleys Emotionen für ihn weiter zu vertiefen. Andererseits glaube ich eigentlich nicht, dass Frank in der Lage ist, die Gefühle anderer bewusst zu steuern. Er würde das auch gar nicht wollen, denn er ist ja kein unehrlicher Typ. Vermutlich hat er schlicht nach Wesleys Nähe gesucht, weil er Angst hatte. Und Wesley war empfänglich für diese Suche nach Nähe, denn er machte sich offensichtlich auch große Sorgen, nicht über den Brand selbst

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