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Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)

Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)

Titel: Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Randt
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Minuten ist das Lied schon vorbei. »Komm her« , sagt sie und rückt auf dem Stuhl zur Seite, sodass ich mich gerade so neben sie setzen kann. Unsere Hüftknochen berühren sich. Sie kontrolliert, ob meine Finger im richtigen Winkel auf den Tasten liegen, und obwohl wir eigentlich wissen, dass wir nur so dasitzen, um uns körperlich nah zu sein, ziehen wir eine Art Unterricht durch, in dem ich, im grellen Sonnenlicht blinzelnd, ein ganzes Lied lerne. Ich muss mich während des Spielens so sehr konzentrieren, dass es zu einigen Sekunden kommt, in denen ich gar nicht mehr sicher bin, ob diese CarlaZwei mich nicht doch nur besucht, um mir Keyboardunterricht zu geben. In einer dieser Sekunden fängt sie an mich zu küssen.
    Zwei Stunden später, als sie bereits gegangen ist, um wieder die Abendschicht im Fachhandel zu übernehmen, und ich mich vom vielen Küssen noch ganz rot im Gesicht fühle, erhalte ich eine Rundmail meines Dads. Er spricht darin von einem ›absurden Glücksfall‹ . Während die Villen auf den Nachbargrundstücken teils ›in einem Flammenmeer untergegangen‹ seien, habe die Tragödie sein ›im Umbau befindliches‹ Gebäude komplett verschont. Nur etwas Ruß sei noch von den frisch geweißten Wänden zu putzen. Er betont, dass er nach seinem Ausflug mit Cassandra wie geplant auf die Hills zurückkehren wolle. Nur das Einweihungsfest müsse er nun auf unbestimmte Zeit verschieben, ›aus Gründen der Pietät‹ , womit mein Dad vermutlich meint, dass man Respekt für das Unglück der Nachbarn zeigen soll. Ich stelle mir vor, wie die Gäste meines Vaters auf seinem Einweihungsfest inmitten eines verkohlten Panoramas anstoßen würden, auf zerstörtem Rasen zwischen niedergebrannten Häusern. Wahrscheinlich würde ihnen das sogar gefallen. Ich selbst würde ja auch gerne in so einer Mondlandschaft am Fenster stehen, mit einem Mischgetränk in der Hand.
    CarlaZwei meldet sich zuerst, was sie für mich zusätzlich auszeichnet. Andere Mädchen folgen ja noch diesem Spiel, das man aus alten Telenovelas kennt, dem zufolge sich zuerst der Junge melden muss. Da wir uns bisher nur etwa achtzig Minuten lang geküsst haben, kommt mir alles noch maximal aufregend vor. Als ihre Kurznachricht aufblinkt, wird es für einen Moment heiß in meiner Magengegend, nicht wie bei Übelkeit etwa, sondern wie bei plötzlichen Erfolgen im Sport oder beim Trinken bestimmter Weinbrände. Sie schlägt vor, sich sofort auf eine Portion Reis zu treffen.
    Wir sitzen dann zwischen gleichaltrigen Amerikanern, die Brillen mit dünnen Metallrahmen tragen, in einem Reislokal vor kleinen Keramikschalen. Wir sprechen über unsere Eltern und unsere bisherigen Tätigkeitsfelder und über die Ungewissheit, die jetzt über allem zu liegen scheint, seit diesem unerklärlichen Feuer. Mich überrascht ein wenig, dass wir gar nicht erst anfangen, über die Musik und die Filme zu reden, die wir gerne mögen. Aber eigentlich überrascht es mich doch nicht so sehr. Denn dass wir einen sehr ähnlichen Geschmack haben, ist ja eigentlich klar. CarlaZwei ist erst dreiundzwanzig, kein Obstkorbkind also, und ich bin irgendwie froh über dieses Alter, ohne genau benennen zu können, weshalb. Wir wissen beide, dass wir ein klassisches Kennenlerngespräch führen, doch wir führen es mit einem aufrichtigen Interesse füreinander, oder zumindest aufrichtig höflich. Sie wirkt im Sitzen größer, als sie ist, hält sich die meiste Zeit sehr gerade auf dem Stuhl, ohne dabei steif zu wirken. Regelmäßig blicke ich also in CarlaZwei’s hellbraune Augen, und sie blickt in meine Augen, die tendenziell ebenso hellbraun sind. Sie spielt nie in ihren kurzen Haaren herum, sie gestikuliert eigentlich gar nicht. Nur manchmal lächelt sie spontan, und in diesem Lächeln glaube ich dann eine gewisse Bescheidenheit zu sehen, und so ein Lächeln ist mir selten begegnet, es macht mir direkt gute Laune. Wir essen mehrere Portionen Reis in verschwindend wenig Ingwersoße. Auf eine schlichte und irgendwie reine Art gesättigt, gehen wir danach zu CarlaZwei nach Hause.
    Nach dreißig Minuten, in denen wir uns ausschließlich ohne Zunge geküsst haben, hat sie mir meine Jeans heruntergezogen, plötzlich etwas stürmisch und nicht zu hundert Prozent geschickt. Alle bisherigen Frauen und Männer haben das, wenn ich mich richtig erinnere, etwas abgeklärter getan. CarlaZwei hatte einen fragenden Blick und ihre Handgriffe wirkten eckig, es schien fast so, als würde sie so eine

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