Schimmernder Rubin
Altersheim zurückziehen und sich dafür entschuldigen, dass er überhaupt geboren ist?«
»Er könnte es mit Yoga und Bowling versuchen oder mit Vogelbeobachtungen, mit Angeln oder Orchideenzüchten oder Wandern oder Hundehaltung oder Seniorentriathlon oder Bridge oder Billard«, erwiderte Cruz etwas ungeduldig. »Himmel, er könnte sogar noch mal die Schulbank drücken oder sich verlieben, oder...«
»Er könnte wieder anfangen zu leben, meinst du das?« unterbrach Laurel ihn.
»Das oder sterben.«
»Du magst meinen Vater nicht, he? Warum? Weil du denkst, dass er für sich selbst arbeitet statt für sein Land?«
»Der Hurensohn hat dich benutzt«, Cruz war erbittert. »Er hat dir dieses gottverdammte Ei geschickt, sich dann aus dem Staub gemacht und dich mit den beiden Mördern allein gelassen.«
»Er wußte nicht, dass sie...«
»Scheiße, Süße«, unterbrach Cruz aufgebracht. »Er ist ein Profi. Er musste wissen, was wo schieflaufen könnte und wer den Preis dafür bezahlen würde: du.«
»Das glaube ich nicht.«
»Du willst es nicht glauben.«
»Weißt du, was du da von mir verlangst?«
»Ich verlange, dass du mir vertraust«, sagte Cruz.
»Nein«, begehrte sie auf und entwand sich seinen Armen. »Du verlangst von mir, dass ich meinen Vater verrate.«
»Benutz dein Hirn und nicht dein Herz. Du bist in Gefahr.«
»Dad ist keine Gefahr für mich.«
»Er vielleicht nicht, aber seine bösen Spielkameraden«, entgegnete Cruz.
»Jetzt nicht mehr«, korrigierte Laurel. »Ich bin raus aus dem Spiel. Er hat das Ei. Es ist vorbei.«
»Falsch, Süße. Es fängt gerade erst an.«
»Was soll das heißen?« Laurel zögerte. »Weißt du etwas, was du mir nicht erzählst?«
»Du willst doch gar nicht wissen, was ich weiß.«
»Ich bin kein Kind mehr.«
»In meinen Armen bist du ganz Frau, aber in deinem Kopf bist du immer noch Daddys kleines Mädchen. Nun, kleines Mädchen, laß mich dir von deinem lieben alten Daddy erzählen.«
Laurel erstarrte, doch dann machte sie Anstalten, aus dem Bett zu klettern. Cruz hielt sie jedoch mit einer Leichtigkeit fest, die sie daran erinnerte, wie stark er war.
»In den Archiven von CIA und FBI gibt es dicke Akten über Jamie Swann«, fing Cruz an.
»Ich weiß.«
»Hast du sie gesehen?« fragte Cruz.
Laurel schüttelte den Kopf.
»Aber ich«, fuhr Cruz unbewegt fort. »Dein Daddy ist eine Legende unter den Agenten des CIA. Er war an den gefährlichsten Undercover-Aktionen der letzten fünfundzwanzig Jahre beteiligt. Er wurde dreimal wegen Tapferkeit und zweimal wegen beispielhafter Eigeninitiative ausgezeichnet.«
»Klingt wie eine Karriere, auf die man durchaus stolz sein kann.«
Cruz setzte sein beunruhigendes Lächeln auf.
»Um so gut zu sein«, sagte er, »musste dein Vater die Fähigkeiten eines professionellen Killers, den Einfallsreichtum eines talentierten Kartenspielers und die Witterung eines Stinktiers entwickeln. Schließlich wurde Jamie Swann ein mutiger, harter, smarter Mensch, der jede Autorität außer seiner eigenen mit Verachtung strafte.«
»Ist das der Grund, weshalb du dir Sorgen machst?«
»Nein. Ich mache mir Sorgen, weil dein Vater irgendwann in den letzten Jahren die Flinte ins Korn geworfen hat.«
Laurel wurde ganz ruhig, nur ihr Herzschlag verdoppelte sich. Das war es, was sie befürchtet hatte. Das war es, was sie nicht hatte hören wollen.
»Weißt du, die Welt verändert sich, aber er konnte es nicht«, sagte Cruz. »Vielleicht wurde er einfach alt und musste mit seinem Temperament eines Tages den Zaun überspringen, der den talentierten Agenten vom talentierten Kriminellen trennt.«
»Nein!«
»Doch.« Cruz war im Bilde. »Ich kenne eine ganze Reihe von Männern wie dein Vater. Selbst das FBI hat seine Cowboys, seine draufgängerischen Krieger, seine hinterhältigen Halunken, seine Experten für schmutzige Tricks. Sie sind wertvoll, wenn es an der Zeit ist für ein doppeltes Spiel. Aber allzuoft sind ihre Tugenden gleichzeitig ihre Laster.«
»Dad würde nie...«
»Doch«, unterbrach Cruz nüchtern. »In den letzten paar Jahren war er an mindestens drei illegalen Geschichten beteiligt, bei denen es um das Verschieben von schweren Waffen oder Kampfflugzeugen in Dritte-Welt-Länder ging. Feindränder, Laurel. Wir haben gegen eins dieser Länder Krieg geführt und dabei fast den Golf abgebrannt.«
»Aber...«
»Nein.« Er schonte sie nicht. »Du hast nach deinem Vater gefragt. Und jetzt erzähle ich dir von ihm. Zudem habe
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