Schimmernder Rubin
schließlich nicht dadurch erlangt, dass er den Verstand abschaltete, wenn es um sein Vergnügen ging.
Hudson International war die dritte geschäftliche Karriere für ihn. Zwei seiner bisherigen Unternehmen hatten kometenhafte Aufstiege erlebt und dann ebenso schnell bankrott gemacht, doch jedesmal hatte er sich abgesetzt, ehe es für sein Privatvermögen brenzlig wurde.
Und jedesmal hatte er einen Trümmerhaufen hinterlassen, der den Ruin bedeutet hätte für den Ruf eines Geringeren, oder den eines Mannes, hinter dem ein weniger gerissenes Team für Öffentlichkeitsarbeit stand. Jetzt, mit Anfang Siebzig und auf dem Höhepunkt seines dritten Geschäftserfolgs, war Hudson ein Meister der Manipulation, was seine Unternehmungen sowie auch seine Mitmenschen betraf.
Der Präsident und Geschäftsführer von Hudson International sog gierig die sorgsam gereinigte Luft im Inneren des Flugzeugs ein. Sooft er konnte, atmete er saubere Luft, und wenn es sein musste, bediente er sich aus einer Flasche mit Sauerstoff. Außerdem war er äußerst penibel, wenn es um Wasser und Lebensmittel ging, denn schließlich strebte er ein mindestens hundertjähriges Leben an.
Und was noch wichtiger war - er würde dafür sorgen, dass auch seine Potenz so lange erhalten blieb.
Als Hi-Flyer One die angestrebte Flughöhe erreicht hatte und Hudson den Gurt ablegen konnte, warf er seine Jacke ab, lockerte die Krawatte und rollte die Ärmel seines weißen Baumwollhemds hoch. Dann zog er einen locker gestrickten Baumwollpullover an, der eng genug war, um aller Welt zu zeigen, dass seine Brust mit den Jahren breiter, sein Bauch hingegen flacher und härter geworden war als der vieler Vierzigjähriger.
Einen Augenblick lang stand Hudson vor dem mannshohen Spiegel, der an einer der Wände zwischen echten Vargas-Nackten hing. Er musterte sich selbst auf diese Weise, wie er ein in Frage kommendes Girl musterte - kritisch und sorgfältig. Er sah immer noch gut aus, mit einem dichten stahlgrauen Haarschopf und einem glatten Gesicht, das rosawangige englische Gesundheit verriet.
Hudson erzielte diese Wirkung wie so viele andere Erfolge durch Illusion. Im Alter von fünfundsechzig Jahren, in dem die meisten Männer anfingen, gebrechlich und unscheinbar zu werden, hatte er sich von einem berühmten französischen Schönheitschirurgen rundum erneuern lassen.
Die Behandlung hatte Abklemmungen, Straffungen, Fettabsaugungen und Implantationen umfasst. Die Erholungsphase dauerte drei Monate, aber das Ergebnis kam einem kleinen Wunder gleich. Das Photo, das seine Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit in der Zeitschrift People veröffentlichte, zeigte einen Mann, um dessen Aussehen ihn die meisten Vierzigjährigen sicher beneideten.
Das war inzwischen fast acht Jahre her. Seitdem hatte Hudson sich noch mehrere Male straffen und liften lassen. Die schwarzen Augen und die unschönen Schwellungen klangen immer erst nach mehreren Wochen vollständig ab, aber danach wirkte sein Gesicht jung und straff.
Außerdem unterzog er sich noch anderen, weniger bekannten und wesentlich intimeren Behandlungen. Diese waren äußerst schmerzhaft, aber so effektiv, wie wenn man eine neue Tintenpatrone in einen oft benutzten, aber immer noch intakten Mont-Blanc-Füller schob.
Er hatte sich in eine teure Zeitkapsel gehüllt und blieb auf diese Weise unverändert frisch, während die anderen älter wurden und an Potenz verloren. Er genoss jeden Augenblick seiner chirurgischen Verjüngungskur, vor allem, wenn er mit Männern seiner eigenen Generation zusammentraf.
Wie jeden Tag zufrieden mit seiner Selbstinspektion, ging Hudson zu dem blankpolierten Kirschholzschreibtisch aus der Zeit des Bürgerkriegs. Lieber hätte er die beiden Frauen gerufen, die im Augenblick in der vorderen Kabine auf ihn warteten, aber zuerst ging es ums Geschäft.
Sosehr Hudson auch von seinem Sexhunger getrieben wurde, hatte er doch gelernt, dass die Verzögerung den Höhepunkt noch verschönerte.
Mit einem ungeduldigen Knurren griff Hudson nach dem schnurlosen Telephon. Er mochte es nicht, weil es leicht abzuhören war. Eine Verschlüsselung der Nachrichten machte das Abhören zwar schwieriger, aber unglücklicherweise bot auch das keine hundertprozentige Sicherheit. Eine codierte Unterhaltung konnte aufgenommen und anschließend beliebig oft abgehört werden, bis sie schließlich »übersetzt« war.
Während Hudson seine eigenen Gespräche regelmäßig aufnahm, hatte er panische Angst davor,
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