Schimmernder Rubin
dass vielleicht ein anderer dasselbe tat. Aber wenn er flog, blieb ihm nichts anderes als das Telephon oder, was noch schlimmer war, das öffentliche Funksprechnetz.
Der erste und wichtigste Anruf galt also seinem Büro in Los Angeles.
»Hudson-Museum«, sagte die Frau am anderen Ende der Leitung. »Was kann ich für Sie tun?«
»Hier ist Hudson. Ist Alexej in der Nähe?«
»Oh, Mr. Hudson, guten Tag.«
Die Stimme gehörte Hudsons persönlicher Sekretärin. Da sie sein Verhalten gegenüber seinen Angestellten kannte, erwartete sie keine Erwiderung ihres höflichen Grußes.
»Mr. Nowikow ist im Augenblick nicht da«, sagte sie.
Hudson knurrte abermals. »Wo ist er hin?«
»Das hat er nicht gesagt.«
»Wann kommt er zurück?«
»Das hat er auch nicht gesagt.«
»Was hat er denn überhaupt gesagt?« fragte Hudson voller Ungeduld.
»Nichts, Sir. Er war wegen irgendeiner Sache furchtbar aufgeregt, aber hat keine Erklärung abgegeben.«
Ein ungutes Gefühl beschlich Hudson. Er hatte eine Unsumme in das neue Gebäude des Hudson-Museums und fast ebenso viel in »Glanzstücke aus Russland« investiert, die Gegenstand der ersten Ausstellung des Museums waren. In vier Tagen sollte die Eröffnung sein.
Wie beim Hi-Flyer One stammte auch das Geld für den Bau des Museums und die Bezahlung der Ausstellung aus dem Geschäftsvermögen von Hudson International. Hudson brauchte am Freitag eine erfolgreiche Museumseröffnung, um den Beschwerden der Aktionäre entgegenzuwirken, für die die Ausschüttung von Dividenden wichtiger war als der Bau von Museen für die ausgedehnten Kunstsammlungen ihres Direktors.
»Finden Sie den mickrigen Bastard, und zwar schnell«, schnauzte er.
»Ja, Sir.«
»Wir bezahlen seiner Regierung ein Heidengeld für diese Ausstellung, aber dieser Lustknabe führt sich auf, als wäre er der Chef im Ring.«
»Ja, Sir.«
Hudson hatte sich bei allen vom russischen Kultusminister bis hin zu seinen engsten Verbündeten im Präsidentenamt über Nowikow beschwert, aber seine Beschwerden waren mit ungewohnter Kälte abgewiesen worden. Überall hieß es: Mr. Nowikow genießt unser volles Vertrauen, und Sie täten gut daran, seine ästhetischen Ratschläge zu befolgen.
»Hoffentlich ist er rechtzeitig zur Pressekonferenz zurück.« Hudsons Stimme schwoll an. »Die Medien sind der wichtigste Teil der ganzen Ausstellung.«
»Ja, Sir.«
»Ich bin nicht irgendein blöder Zahnarzt aus Wichita. Ich habe die russische Kunst und Kultur schon unterstützt, als dieser kleine Sportsfreund noch in die Windeln geschissen hat.«
»Ja, Sir.«
»Sind alle Exponate an ihren Plätzen?« fragte er.
»Soll ich es überprüfen, Sir?«
»Nein. Holen Sie mir Nowikows Assistenten.«
»Ich glaube, Mr. Gapan ist ebenfalls nicht da.«
Ungeachtet der staatlichen Vorschriften bezüglich Gotteslästerung, Obszönität und der Ätherwellen setzte Hudson zu einer Reihe herzhafter Flüche an.
»Ich bezahle den Russen ein Vermögen für die Ausstellung, und der einzige Schwanzlutscher, dem die Russen erlauben, die wertvollen Gegenstände anzufassen, vertreibt sich die Zeit damit, dass er sich am Muscle Beach rumtreibt und irgendeine Silikonpuppe vögelt!«
»Hmm...«
»Rufen Sie mich sofort an, wenn er zurückkommt!«
»Ja, Sir.«
Hudson knallte den Hörer auf und starrte wütend auf die Nackte von Vargas. Er hatte einen unerklärlichen Hass auf Homosexuelle und nahm an, dass Nowikow das wusste und ihm deshalb auf der Nase herumtanzte. Ohne Nowikow gab es keine Austellung. Und ohne Ausstellung geriete Hudson in Schwierigkeiten.
In große Schwierigkeiten.
Mit einem leisen Fluch stand Hudson auf und begann seine Suite zu durchmessen. Er hatte den Kulturredakteuren der Los Angeles Times und der Washington Post bereits private Vorbesichtigungen der russischen Ausstellung versprochen und hatte sogar einen Privatjet losgeschickt, um den wichtigsten Kunstkritiker der New York Times zu einer Vorbesichtigung am Mittwoch, also zwei Tage vor der offiziellen Eröffnung, abzuholen.
Die positive Berichterstattung in diesen drei Zeitungen war unerlässlich, denn ansonsten wüsste die amerikanische Kunstgemeinde Hudsons kulturellen Coup vielleicht nicht richtig zu würdigen. Und dann würden die Aktionäre unruhig, denn sie trügen die enormen Kosten einer unbedeutenden Kunstausstellung, statt Ausrichter der Exposition des Jahrzehnts zu sein.
Zum Wohle der Menschheit zu arbeiten war ebenso politisch wie die Wahlkampagne eines
Weitere Kostenlose Bücher