Schimmernder Rubin
Sohn, der letzte Zar, bestellte jedes Jahr zwei, eines für seine Mutter und eines für seine Frau. Im Laufe der Jahre wurden ein paar Eier für russische Industrielle kreiert.«
»Warum heißt das Ei die Rubin-Überraschung?« mischte sich Gillespie ein.
Nowikow sah den großen Mann an, als wundere es ihn, dass er es wagte, den Mund zu öffnen. Ein einziger Blick in Gillespies Augenhintergrund genügte jedoch, seine Einschätzung zu ändern. Was für eine Hautfarbe der Mann auch immer hatte, er war mehr als Hausdiener oder Gigolo.
»Jedes Ei birgt ein Geheimnis,« sagte Nowikow.
»Ein Staatsgeheimnis?« fragte Gillespie.
»Nein«, sagte Redpath. »Eine Kuriosität.«
»Genau«, echote Nowikow. »Manchmal bestand die Überraschung aus einer Reihe diamantgerahmter Miniaturporträts, die in den juwelenbesetzten Fächern des Eis verborgen waren. Manchmal handelte es sich um eine winzige Landschaft, die sich aus der Mitte des Eis auf einem versteckten Uhrwerk erhob. Manchmal war es ein Tier mit einem Aufziehmechanismus, der es laufen ließ.«
Gillespie lüftete eine schwarze Braue. Ohne ein Wort zog er sich zurück, um den Limonadenkrug neu zu füllen.
»Wie viele Eier gibt es insgesamt?« fragte Cruz.
»Ende des neunzehnten, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wurden einhundertfünfzig Eier hergestellt«, sagte Nowikow.
»Und wer hat sie gekauft?«
»Ein paar wurden von der britischen Königsfamilie gekauft. Andere verschwanden während der russischen Revolution. Die übrigen wurden zu märchenhaften Sammelobjekten überall auf der Welt.«
»Und wer außerhalb Russlands besitzt sie?« fragte Cruz.
Obgleich er immer noch entspannt wirkte, war sein Blick jetzt auf Beute aus. Wer auch immer ein solches Fabergé-Ei besaß, wäre ein möglicher Käufer für ein weiteres Ei, egal, woher es kam.
»Damon Hudson, der Industriemagnat, hat mehrere«, sagte Nowikow. »Und Malcolm Forbes, der amerikanische Publizist, hat ein Dutzend von ihnen gekauft.«
»Was musste er dafür bezahlen?« fragte Redpath.
»Für das zuletzt erhältliche Ei hat er mehr als anderthalb Millionen amerikanischer Dollar bezahlt«, sagte Nowikow. »Das war vor ein paar Jahren. Niemand weiß, welchen Preis ein solches Stück heute auf dem internationalen Kunstmarkt erzielen würde.«
»Und Sie haben es geschafft, eins davon zu verlieren«, sagte Cruz. »Kein Wunder, dass Sie nervös sind.«
»Meine persönliche Verantwortung belastet mich nicht halb so sehr wie der große kulturelle Schaden und die politischen Folgen dieses Verlusts.«
Cruz schwieg.
»Wie Sie bereits festgestellt haben«, Nowikow rang um seine Souveränität, »arbeite ich für eine Regierung, die am Rande einer Katastrophe balanciert. Die Demokratie wird von allen Seiten unter Beschuss genommen. Die kommunistische Partei ist immer noch ein mächtiger Verein.«
Nowikow blickte von Cruz zu Redpath.
»Die Männer, die Sie Hardliner nennen«, sagte er, »würden sämtliche Fortschritte der letzten Jahre zunichte machen, nur um wieder an die Macht zu gelangen.«
»Vergessen Sie die Rechte nicht«, sagte Cruz und biss in einen Keks. »Schließlich haben sich das Militär und ehemalige KGBler zusammengetan.«
»Außerdem sind da noch die Lockungen des weißrussischen Nationalismus«, fügte Gillespie, der mit einem neuen Krug Limonade im Türrahmen erschien, hinzu. »Es gibt alte Familien, die ihr Geld beiseite geschafft haben, ehe die Revolution vorüber war. Sie wären nur allzu froh, wenn sie erneut in den trüben russischen Gewässern fischen könnten. Noch etwas Limonade?«
Nowikow blinzelte und beäugte Gillespie wie eine Frau einen überraschend interessanten Mann.
»Danke«, murmelte er und hielt sein Glas hin. »Sie haben recht. In meinem Land gibt es eine traurige Mischung verschiedenster Kräfte, die jeden Augenblick explodieren kann.«
Nowikow sah verächtlich auf Cruz und dann auf seine linke Hand.
»Vielleicht findet ein Cowboy wie Cruz Rowan eine solche Tatsache prickelnd«, sagte er, »aber urteilsfähige Männer - und Frauen - verstehen, wie ernst die Situation tatsächlich ist.«
Er sah Redpath an.
»Es sei denn, Botschafterin, Sie hätten das Interesse an der Weltstabilität verloren, seit Sie nicht mehr Ihrer Regierung verpflichtet sind.«
»Meine Kollegen und ich stehen nicht mehr im Dienst der nationalen Politik«, sagte Redpath. »Aber wir sind immer noch Menschen, und der Zustand der Welt interessiert uns ebenso wie jeden anderen.«
»Dann
Weitere Kostenlose Bücher