Schimmernder Rubin
von Redpath. Sie genoss es, abends mit ihm Schach zu spielen oder kluge Gespräche zu führen. Genau wie er. Seine Tätigkeit als Redpathscher Leibwächter, Taktiker und Vertrauter hatte eine sanfte, nahezu süße Seite seines Wesens geweckt. Es gelang ihm sogar, den Hausdiener mit einer gewissen Grazie zu verkörpern, obgleich Cruz spürte, dass Gillespie Nowikow lieber Zyanid serviert hätte als Gebäck.
Nowikow, dessen Unbehagen nur dem lauernden Blick zu entnehmen war, leerte sein drittes Glas Limonade mit einer Begeisterung, die reine Höflichkeit weit überstieg. Obgleich er sich weniger als zehn Minuten draußen aufgehalten hatte, erzeugten die Eigenschaften der Wüste einen Durst in ihm, der nur teilweise körperlich war.
Nowikow ärgerte, dass Cruz es zu wissen schien.
»Noch etwas Limonade?« bot dieser an.
Abgesehen von einem bösen Seitenblick, ignorierte der Russe Cruz. Nowikow freute sich sowohl über die Kühle in Redpaths Büro als auch über die Möglichkeit, selbst zu beurteilen, ob die Gerüchte über eine sexuelle Beziehung zwischen ihr und Gillespie der Wahrheit entsprachen. Offensichtlich empfanden sie Respekt und wahrscheinlich auch Zuneigung füreinander. Was den Sex betraf, so war er bisher zu keinem Ergebnis gekommen.
»Ich möchte Sie gewiss nicht drängen, Alexej«, sagte Redpath, »aber wenn die Sache, von der Sie sprachen, so dringend ist, dann sollten wir umgehend die Karten auf den Tisch legen.«
Nowikow runzelte die Stirn.
Missmutig stellte Cruz fest, dass die Falten auf der Stirn des Russen dessen gutes Aussehen noch erhöhten. Er fragte sich, ob Nowikow diese Mimik wohl vor dem Spiegel übte.
»Die Umstände zwingen mich, Ihnen mehrere bedeutende Staatsgeheimnisse anzuvertrauen«, begann Nowikow. »Aus diesem Grund zöge ich es vor, mit Ihnen allein zu sprechen.«
Cruz ließ ungeduldig die Eiswürfel in seinem Glas klappern.
»Ich bin hier, weil Cassandra es will, und das wissen Sie ganz genau«, blaffte er. »Also hören Sie mit diesem Unsinn auf, und schießen Sie endlich los.«
Einen Augenblick lang musterte Nowikow seinen ehemaligen Gegenspieler. Irgend etwas an Cruz war anders als früher, etwas, was Nowikow nicht zu deuten verstand. Cruz Rowan war ein Agent gewesen, der die Weltpolitik auf typisch amerikanische Art wie ein großes, aufregendes Spiel betrachtet hatte. Trotz dieser naiven Sichtweise hatte er Nowikow in die Falle laufen lassen wie ein Schachmeister seinen weniger begnadeten Gegner matt setzte.
Damals war Nowikow wütend gewesen. Und das war er immer noch. Aber er besaß genügend Einsicht, um anzuerkennen, dass er nur die letzte Runde gewonnen hatte und dass in den Runden davor Cruz der Sieg gebührte.
Cruz hatte das Spiel immer gnadenlos und effizient, aber zugleich auf eine jungenhafte Weise gespielt. Nun aber umgab ihn eine erschreckende Kälte. Eher europäisch als amerikanisch. Besorgt erkannte Nowikow, dass Cruz durch diese Veränderung noch gefährlicher geworden war.
»Als wir uns das letzte Mal begegnet sind«, sagte Nowikow, »dachten Sie, ich wäre ein alltäglicher Spion, der sich hinter Kunst und Kultur versteckt.«
Cruz winkte mit seinem Glas. »Das ist lange her.«
»Für Sie vielleicht«, erwiderte Nowikow. »Sie haben sich Ihre Arbeit schließlich selbst ausgesucht. Ich nicht. Ich wurde gezwungen, beim KGB mitzuarbeiten. Ich war von Beruf und Veranlagung her Kunsthistoriker und bin es noch.«
»Stimmt.«
»In der Tat«, sagte Nowikow unter Nichtbeachtung des sarkastischen Einwurfs, »bin ich der Chefkurator für die wichtigste Wanderausstellung russischer Kunst, die je zusammengestellt wurde. Vielleicht haben Sie schon von >Glanzstücke aus Russland< gehört?«
Ehe Cruz etwas erwidern konnte, beantwortete sich Nowikow die Frage selbst.
»Nein, natürlich haben Sie nichts davon gehört.« Nowikow wandte sich an Redpath. »Aber Sie bestimmt? Sie soll diesen Freitag im Damon-Hudson-Kunstmuseum in Los Angeles eröffnet werden.«
Redpaths neutraler Gesichtsausdruck machte einem unmerklichen Lächeln Platz.
»Ich habe gehört, dass Hudson die Absicht hat, sein neues Mausoleum mit einer Ausstellung über russische Kunst einzuweihen«, sagte sie.
»Die Ausstellung war zuletzt in Tokio zu sehen«, erklärte Nowikow. »Dort gab es Besucherrekorde.«
Cruz hielt Gillespie sein leeres Glas hin, und der Hauptfeldwebel füllte es, ohne eine Miene zu verziehen. Cruz bemerkte, dass der Hüne sich nie weiter als Armeslänge von Nowikow oder
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