Schimmernder Rubin
besser gesagt Gapan entfernte.
»Die Ausstellungsstücke wurden zusammengepackt und alle auf einmal verschifft.«
»Und das fehlende Ei...«, setzte Cruz an.
»Die Rubin-Überraschung«, unterbrach ihn Nowikow mit schmerzlichem Blick.
»Wie auch immer. War es noch da, als Sie in Tokio gepackt haben?«
»Ja. Wir haben ein kommerzielles Luftfrachtunternehmen beauftragt, das auf solche Ladungen spezialisiert ist. Absolut zuverlässig.«
»Und Sie sind sich sicher, dass das Ei, das Sie verschifft haben, das richtige war? Kein Imitat?«
»Ganz sicher«, sagte Nowikow. »Die gesamte Ausstellung kam gestern in Los Angeles an. Unmittelbar nach dem Zoll haben wir angefangen, die Ladung auf Frachtschäden hin zu untersuchen.«
»Und da fehlte das Ei.«
»Ja.«
»Wieviel ist es wert?«
Es schien Nowikow geradezu unglücklich zu machen, das Ei materiell taxieren zu müssen.
»Das Ei ist unbezahlbar, sowohl vom historischen als auch vom künstlerischen Wert her«, sagte er schlicht. »Das Haus Fabergé war der Hofjuwelier der russischen Zarenfamilie. Dort wurden alle möglichen außergewöhnlichen Kleinodien hergestellt, die kaum einen materiellen Wert besaßen.«
»Dinge, die man wohl eher der Phantasie zuschreibt als der Kunst«, sagte Redpath zu Cruz.
»Genau«, pflichtete Nowikow bei. »Obgleich viele Kunsthistoriker der Auffassung sind, dass das Haus Fabergé mit den kaiserlichen Eiern die Grenze des reinen Handwerks überschritten und zum ersten Mal echte Kunst geschaffen hat.«
»Was man in den letzten siebzig Jahren in Russland nicht unbedingt begrüßte«, ließ Cruz sich vernehmen.
»Die Mode ändert sich mit der Politik«, sagte Nowikow. »Der Sturz des Zaren bedeutete das Ende für Fabergé. Die Rubin-Überraschung war das letzte Schmuckei, das in Auftrag gegeben worden war. In der Tat wusste niemand, ob es je fertiggestellt worden war, bis man kürzlich eine ausgedehnte Inventur der Staatsschätze vornahm.«
Redpath nickte. Es war ein offenes Geheimnis, dass die Russen jede mögliche Geldquelle anzapften, selbst wenn sie dazu Kunstgegenstände verkaufen mussten, die seit Generationen hinter Schloss und Riegel schlummerten.
»Irgendein Revolutionsheld muss seine proletarischen Vorurteile überwunden und die Rubin-Überraschung in seiner Betonvilla versteckt haben«, näselte Cruz. »Und dann hat ihm ein anderer Retter der Menschheit das Ei abgenommen, als das Volk abermals auf die Straßen ging.«
Nowikows Miene spannte sich an. »Ich weiß nicht, wie das Ei in den Staatsschatz gelangte. Es wurde im Verlauf einer Inventur der gesamten Schätze entdeckt.«
Mit halb geschlossenen Augen speicherte Cruz die Informationen in seinem Hirn. Als er die Hand nach seinem Limonadenglas ausstreckte, starrte Nowikow ihn überrascht an. Cruz wusste genau, was den Blick des Russen fesselte: ein linker Zeigefinger war etwa zweieinhalb Zentimeter über der Hand abgetrennt.
Nowikow und Cruz ertappten sich bei ihrem gegenseitigen Taxieren, und mit einem boshaften letzten Blick auf die Verstümmelung setzte ersterer zum Sprechen an.
»Die Ausstellung bildet einen Querschnitt durch Kunst und Kunstgegenstände der Vorsowjetzeit, aber das Herz des Ganzen bilden die Exponate von Fabergé. Kristall- und Lackblumen, exotische Kristalltiere, zwanzig prächtig lackierte Zigarettenkästen und vergoldete, diamantbesetzte Bilderrahmen.«
»Woher kommen denn all diese Schätze?« fragte Cruz beiläufig. »Gibt es Verkaufsbelege oder dergleichen?«
Redpath bedachte Cruz mit einem schrägen Blick.
»Die Bolschewiken haben den Aristokraten Hunderte solcher Gegenstände abgenommen«, sagte Nowikow.
»Genau wie Diamanten«, half Cruz nach. »Eimerweise.«
»Kriegsbeute«, Nowikow winkte elegant ab. »In den schwersten Jahren hat der Sowjetstaat große Teile dieses Schatzes gegen harte Währung verkauft.«
»Und der Rest wurde von korrupten kommunistischen Beamten und Kulturbürokraten beschlagnahmt, nicht wahr?« fragte Cruz.
»Vielleicht«, hieß die Antwort und beide lächelten eisig. »Meine Ausstellung umfasst das Beste, was vom Staatsschatz noch übrig ist. Ein paar der Gegenstände sind wirklich außergewöhnlich. Wie die Rubin-Überraschung. Oder das Ei von St. Petersburg.«
»Ostereier«, fasste Cruz zusammen.
»Einzigartige Ostereier«, ergänzte Redpath milde. »Alexander der Dritte hat das erste Ei für seine Ehefrau bestellt - mit solchem Erfolg, dass es zur Tradition wurde.«
»Richtig«, sagte Nowikow. »Sein
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