Schimmernder Rubin
Laurie«, schnitt Swann ihr das Wort ab. »Du musst lernen, wie diese Welt tatsächlich funktioniert. Blutsverwandtschaft ist wichtiger als Gold, die Zeit geht immer nur in eine Richtung und Jamie Swann kümmert sich immer um die, die er als die Seinen anerkennt.«
7
Als Swann sah, wie alle Farbe aus dem Gesicht seiner Tochter wich, wußte er, dass es ein schwerer Fehler gewesen war, ihr das Paket zu schicken. Laurel hatte einfach mehr von Ariel als von ihm. Sie war anständiger, als ihr guttat.
Oder ihm.
Insgesamt gesehen betrachtete sich Swann als einen Ehrenmann, wenn auch nicht immer als einen ehrlichen Mann. Er hatte Gesetze auf mehr Arten und in mehr Ländern gebrochen, als die meisten Menschen aufzählen konnten. Aber er hatte es nicht zu seinem Vorteil getan, sondern zum Wohle eines höheren Gutes. Bereits vor langer Zeit hatte er sich damit abgefunden, dass er internationale Gesetze brechen musste, um zur Sicherung der Rechtsstaatlichkeit beizutragen.
Aber Normalbürger sahen sich nicht tagtäglich diesem Zwiespalt ausgesetzt. Swann vergaß oft, wie ungereimt diese Wahrheit für Außenstehende klang. Vor allem für unschuldige Menschen wie sein eigenes Kind.
»Alles in Ordnung, Baby?« fragte er und streckte die Hand nach Laurel aus.
Seine Tochter schüttelte das Gefühl, als würden ihre Knochen zu Sand, ab.
»Ja«, flüsterte sie. »Ja.«
Swann umfaßte ihre Schultern und drehte sie zu sich um, so dass sie gezwungen war, ihm ins Gesicht zu schauen.
»Hör mir zu«, sagte er. »Hör mir gut zu. Das Paket ist niemals hier angekommen. Du hast es niemals aufgemacht. Es war niemals hier. Verstanden?«
Einen solchen Ton hatte Laurel nie zuvor von ihrem Vater gehört - kalt, wild, gnadenlos. Wie der Blick seiner gelben Augen.
Plötzlich wußte sie, weshalb Swann sie so oft verließ und so selten zurückkam. Er hatte nicht gewollt, dass seine Frau und seine Tochter erfuhren, wie gefährlich er war.
»Laurel.«
Mehr sagte Swann nicht, mehr war nicht erforderlich.
»Ich werde es versuchen«, sagte sie mit dünner Stimme. »Aber ich bin nicht besonders gut bei derartigen Machenschaften.«
Swann atmete auf und wurde vor Laurels Augen wieder zu dem Mann, den sie kannte. Er strich ihr mit überraschender Zärtlichkeit über die Wange.
»Ich weiß, Baby«, sagte er. »Das solltest du auch nie sein. Also vergiß einfach, was heute vorgefallen ist. Okay?«
»Okay«, flüsterte Laurel.
Swann ließ ihre Schultern los und wandte sich ab. Einen drückenden Augenblick lang starrte er auf den rastlosen Ozean hinaus, aber schließlich drehte er sich wieder zu seiner Tochter um.
»Laurie«, sagte er. »Ich denke, es wird Zeit, dass wir uns einmal miteinander unterhalten. Also setz dich lieber hin, ehe du umkippst.«
Während er sprach, zeigte er auf den Hocker. Ohne ein Wort des Protests nahm Laurel Platz. Sie war froh um den Halt, den der Sitz ihr gab. Ihre Wirkungsstätte war ihr vertraut, angenehm überschau- und berechenbar: all das, was ihr Vater niemals war.
Swann schob die Hände in die Taschen seiner Jeans und marschierte auf und ab.
»Du weißt nicht viel über mein Leben«, hob er an. »Genau wie deine Mutter nie viel darüber wußte. Es war besser so, sicherer. Aber das ist es nicht mehr.«
Er drehte sich abrupt um und sah Laurel mit den Augen eines Wolfes an, klar, lohfarben und ungezähmt. Vor allem letzteres.
Arme Mutter, dachte Laurel vage. Sie hat keine Chance gehabt. Keine wirkliche Chance. Jamie Swann ist im tiefsten Innern seiner Seele ein Geschöpf der Wildnis.
»Während der letzten dreißig Jahre«, sagte Swann, »war ich mehr oder weniger regelmäßig beim CIA angestellt.«
»Ich dachte, du wärst Berufssoldat.«
»Das habe ich deiner Mutter erzählt. Und das war ich auch von Zeit zu Zeit.« Swanns Gebiß blitzte gefräßig. »Aber nie dann, wenn die Leute dachten, dass ich es wäre. Selbst sie wußte nicht, wann ich es war.«
»Du warst - bist - ein Spion?«
»Nichts so Aufregendes. Ich bin das, was die Medienfritzen einen >Schattenkrieger< nennen.«
»Und wie nennst du dich?« fragte sie.
»Es gab eine Zeit, in der wir uns Helden nannten.«
»Und jetzt?«
»Jetzt?« Swanns Unterkiefer fiel herab. »Jetzt wissen wir, was wir waren: verdammte Narren.«
Die Bitterkeit seines Tons ließ Laurel zusammenfahren.
»Weißt du«, fuhr er fort. »Kriege werden nicht mehr auf eine nette, ehrenwerte, aufrechte Art geführt wie vor Korea. Heutzutage werden Kriege in dunklen Gassen
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