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Schimmernder Rubin

Schimmernder Rubin

Titel: Schimmernder Rubin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Maxwell
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nicht mehr war als ein kurzer Stumpen.
    Cruz folgte Laurels Blick und unterdrückte nur mit Mühe den Impuls, die linke Hand zur Faust zu ballen.
    Dann riß sie entsetzt die goldenen Augen auf, und er wußte, dass sie sich daran erinnerte, weshalb er ihr so bekannt vorkam. Er hatte diese plötzliche Veränderung der Menschen schon öfters bemerkt, wenn sie sich an sein Gesicht erinnerten, weil es oft genug im Fernsehen oder auf den Titelseiten geprangt hatte.
    Eine derartige Berühmtheit war nur schwer zu ertragen. Sie hatte einen Keil zwischen Cruz und seine Freunde getrieben, zwischen Cruz und die kleine Familie, die er noch besaß, und auch zwischen Cruz und sich selbst.
    Aber den Schock, die Überraschung und den Widerwillen auf dem Gesicht der interessantesten Frau, der er jemals begegnet war, zu sehen, versetzte ihn regelrecht in Wut.
    Ja, Cassandra, dachte er erbost. Es ist an der Zeit, dass ich die Vergangenheit hinter mir lasse, nicht wahr? Aber was ist mit dem Rest der Welt? Wann werden sie meine Vergangenheit vergessen?
    Cruz wartete darauf, dass Laurel sprach. Als sie es nicht tat, sprach er:
    »Ich nehme an, Sie lesen regelmäßig Zeitung.«
    Cruz’ Ton ließ Laurel zusammenfahren. Statt samtig und besänftigend klang er nun kalt, brüchig, sarkastisch; er hätte die Sonne einfrieren können.
    »Warum sagen Sie das?« fragte sie.
    »Ich habe diesen Blick schon des öfteren gesehen.«
    Die Kombination aus Verbitterung und Resignation in Cruz’ Stimme erinnerte Laurel an ihre Mutter, wenn Swann seine Familie mal wieder auf der Jagd nach einem Abenteuer verlassen hatte.
    Was auch immer dieser Mann je gewesen war und getan hatte, dachte sie, er ist tief in seiner Seele verletzt, wie Mutter. Aber anders als Mutter lebt er noch. Verspürt er den Schmerz immer noch.
    Das Geräusch der einrastenden Pistolensicherung schockierte Cruz noch mehr als zuvor das Geräusch der Entsicherung. Ungläubig starrte er auf den Waffenlauf, der von ihm fort Richtung Boden glitt, und ließ die Hände sinken.
    »Dass ich Sie richtig verstehe«, sagte er. »Sie stellen fest, dass ich der kaltblütige Bastard bin, der zwei Teenager vor den Augen Gottes und eines Photoreporters ermordet hat, und Sie sichern Ihre Pistole?«
    Laurel blickte auf die Waffe, als wäre sie selbst überrascht, dass sie sie auf den Boden richtete.
    »Das ist lange her«, sagte sie. »Und es waren keine Teenager.«
    »Es ist fünf Jahre her. Und einer von ihnen war erst neunzehn Jahre alt.«
    Laurel zermarterte sich das Hirn, weshalb sie instinktiv zu dem Schluß gekommen war, dass Cruz ihr nichts tun würde. Das einzige, was sie von dem Zwischenfall vor dem südafrikanischen Konsulat in Los Angeles noch wußte, war, dass zwei junge Schwarze von einem weißen FBI-Mann getötet worden waren.
    Dann war die Stadt in Flammen aufgegangen. Aufruhr, Plünderungen, Schüsse und ellenlange Leitartikel darüber, wie ungerecht die Gesellschaft wieder einmal mit ihren schwarzen Bürgern umgegangen war.
    Aber das einzige, an was sie sich deutlich erinnerte, war das Photo, das zum Symbol geworden war für alles Schlechte im letzten Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts. In dem chaotischen Augenblick, nachdem die beiden Männer erschossen worden waren, hatte ein Zeitungsreporter ein erschreckendes Porträtphoto des FBI-Schützen gemacht, der die tödlichen Kugeln abgefeuert hatte. Die meisten Menschen hatten das Bild gesehen und einen Killer darauf ausgemacht, der vorsätzlich, kalt und brutal vorging. Unmenschlich.
    Das Photo hatte einen Pulitzerpreis gekriegt. Es war wieder und wieder in den Zeitungen und Zeitschriften aufgetaucht. Politiker und Journalisten, Demagogen und Sozialkritiker hatten das Porträt des staatlichen Schützen verschieden interpretiert. In seiner schwarzen Lederweste und mit der schwarzen Strickmütze auf dem Haar stellte Cruz Rowan die Verkörperung des gedankenlosen, brutalen Roboters, des Regierungshenkers dar, der zwei weitere Kerben in den Kolben seiner Mordwaffe trieb.
    Drei Untersuchungen seitens des Washington-Kongreß hatten dieses Bild nicht zu zerstören vermocht, obgleich nie ein Beweis zur Anklage gegen Cruz gefunden worden war.
    Als Laurel jetzt fünf Jahre später das Gesicht des Schützen sah, wirkte es noch immer dunkel und kalt. Aber nicht unmenschlich. Er war ein harter Mann, wahrscheinlich gefährlich, aber alles andere als brutal.
    »Es gibt immer mehr, als die Kamera uns zeigt«, sagte sie.
    Cruz war so verblüfft, dass er

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