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Schimmernder Rubin

Schimmernder Rubin

Titel: Schimmernder Rubin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Maxwell
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hatten die Russen selbst sich kaum verändert. An diese unschöne Wahrheit wurde Hudson jedesmal erinnert, wenn er in die Emigrantengemeinde in West Los Angeles kam, und deshalb mied er die Gegend für gewöhnlich.
    Heute machte er eine Ausnahme. Davinian fühlte sich in seiner heimischen Umgebung sicher wohler. Mit dem Alter war der Juwelier richtiggehend sentimental geworden. Er genoß die gewohnte Atmosphäre Mütterchen Rußlands wie andere alte Männer die Sommersonne.
    Hudson wollte, dass Davinian sich bei ihrer letzten Begegnung so wohl wie möglich fühlte.
    Der Juwelier saß ruhig unter einem verblühten Jacaranda-Baum. Mit seinem kahlen Schädel und den knochigen Gliedern sah er wie ein kümmerlicher Vogel aus. Er trug eine Sonnenbrille mit einem runden Metallgestell, aber sie vermochte nicht, das Altersblinzeln seiner Augen zu verhindern. Er blickte direkt an Hudson vorbei, ohne ihn zu erkennen.
    »Davinian.«
    »Ah, Damon.« Der alte Juwelier drehte sich nach der Stimme um. »Aus der Richtung hatte ich dich nicht erwartet. Ich habe deine Limousine gar nicht vorfahren sehen.«
    »Ich bin gelaufen.«
    »Gelaufen?« Davinian schüttelte den Kopf. »Als nächstes wirst du noch anfangen zu joggen, nur um wieder jung auszusehen.«
    »Hier, ich habe dir Eistee aus dem Krimrestaurant mitgebracht.«
    Während Hudson sprach, suchte er in der Papiertüte herum, die er mitgebracht hatte. Als seine Hand wieder zum Vorschein kam, hielt sie einen Plastikbecher, in dem Eiswürfel und Flüssigkeit herumschwappten. Nachdem er Davinian seinen Becher gegeben hatte, griff er abermals in die Tüte und holte sein eigenes Getränk heraus.
    »Zitrone?« fragte Davinian mit schräggelegtem Kopf.
    »Ein doppelter Schuß Zitrone wie immer«, erwiderte Hudson.
    Er öffnete seinen Becher und nippte vorsichtig daran. Dann setzte er sich auf die Bank.
    »Danke«, sagte Davinian und prostete ihm zu. »Es ist ziemlich warm heute.«
    Er trank schweigend von dem dunklen, bitteren Tee und beobachtete die anderen alten Männer, die in der Nähe saßen, das Sonnenlicht genossen, das durch die zarten Blätter fiel, und dem leisen Jammern der Balalaika lauschten.
    »Ich liebe diesen Ort«, sagte er schließlich. »Er ist genauso wie das Viertel, in dem ich aufgewachsen bin. Eines Tages muss ich noch einmal nach Moskau zurück, um zu sehen, wieviel sich dort verändert hat.«
    »Ich war letzten Monat dort«, sagte Hudson. »Es hat sich viel weniger verändert, als du dir vielleicht wünschst.«
    »Vielleicht in den gesellschaftlichen Kreisen, in denen du verkehrst. Der Futtertrog ist immer noch derselbe, und die fettesten Schweine fressen immer noch zuerst.« Davinian nippte abermals an seinem Tee und seufzte. »Aber dort unten, wo wir anderen leben, ist inzwischen alles ganz anders.«
    »Bist du sicher?« fragte Hudson in neutralem Ton.
    »Die Generäle sind an ihren Plätzen geblieben, aber die Leute, die meine Kollegen waren - die Obersten, Majore und Feldwebel - sind alle verschwunden. Alle.«
    »Soll das heißen, dass du nichts herausgefunden hast?«
    Davinian zuckte mit seinen dünnen, hängenden Schultern.
    »Ich habe etwas herausgefunden, aber nicht viel«, sagte er. »Es gibt eine ganze Generation von Männern, guten Männern, fähigen Männern, die in gewissem Sinne meine Kameraden waren. Man hat ihnen die Macht genommen, als wären sie alle auf einen Schlag senil geworden.«
    »Erspar mir diesen Jammerbericht«, sagte Hudson. »Im Gegensatz zu ihnen spiele ich immer noch mit. Und ich brauche alle Informationen, die ich nur kriegen kann.«
    Davinian winkte mit seiner Greisenhand müde ab. Er trank noch etwas Tee und zog das Gespräch in die Länge, als hätte er für den Tag nichts anderes mehr geplant.
    »Ich habe ein paar Dinge über die Frau in Erfahrung gebracht, über Toth«, sagte er. »Es ist genau, wie du vermutet hast. Sie hat mehrmals für Moskau gearbeitet, indem sie Geschichten verbreitete, deren Verbreitung für die Russen von Interesse war.«
    »Was für Geschichten?«
    »Es gab kein bestimmtes Muster. Ihre erste bemerkenswerte Arbeit fertigte sie an, als sie noch sehr jung war und aufs College ging. Das war während der Olympischen Spiele hier in Los Angeles.«
    »Die Russen haben die Olympiade boykottiert.«
    Davinian nickte.
    »Die Zweite Delegiertenkammer schickte damals Drohbriefe an einige schwarzafrikanische Delegationen«, sagte er. »Man tat so, als kämen die Briefe vom Ku Klux Klan. Es war ein Versuch, die

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