Schindlers Liste
bevorstand, sich nach Art und Ausmaß von allem Vorangegangenen unterscheiden würde, doch war er immerhin bereits so verbittert, daß er dachte, du hast leicht reden, Schindler, eine solche Geste kostet dich nichts.
Aue also stellte Stern als Buchheisters Oberbuchhalter vor, der sich im hiesigen Wirtschaftsleben gut auskenne.
Stern hatte dazu nichts zu bemerken, er fragte sich jedoch, welche eigenen Zwecke der Treuhänder verfolgte. Aue ließ ihn mit Schindler allein. Dieser fragte Stern, wie er die Aussichten der verschiedenen Wirtschaftszweige beurteile. Um ihn zu prüfen, schlug Stern vor, Schindler möge sich doch bei der Treuhand Ost erkundigen.»Das sind Diebe«, versetzte Schindler seelenruhig. »Diebe und Bürokraten. Ich brauche Ellenbogenfreiheit. Ich bin der geborene Kapitalist und kann es nicht leiden, wenn man mir Vorschriften macht.« So begann das Gespräch zwischen diesen beiden, und Stern erwies sich bald als wertvolle Informationsquelle. Er hatte Verwandte und Bekannte in sämtlichen hiesigen Produktionszweigen: Textilien und Bekleidung, Kunsttischlerei, Metallverarbeitung.
Schindler war beeindruckt und brachte einen Briefumschlag zum Vorschein. »Ist Ihnen eine Firma Rekord bekannt?«
Sie war es. Die Firma sei im Konkurs. Ehedem hatte sie Emailwaren hergestellt. Seither waren einige der Pressen konfisziert worden, und derzeit war das Werk nur noch so etwas wie eine leere Hülse, in der unter der Leitung des Konkursverwalters nur ein Bruchteil der Kapazität genutzt wurde.
Sein Bruder, so Stern, vertrete eine Schweizer Gesellschaft, die zu Rekords Hauptgläubigern gehöre. »Die Geschäftsführer von Rekord waren total unfähig«, sagte er. Schindler reichte Stern den Umschlag. »Das ist die Bilanz. Sehen Sie sich die mal an.«
Stern sagte, Schindler möge sich auch anderswo nach Rekord erkundigen, und Schindler antwortete gleichmütig, das sei auch seine Absicht, doch lege er Wert auf Sterns Meinung.
Stern las etwa drei Minuten in der Bilanz und fühlte dann Schindlers Blick auf sich ruhen.
Selbstverständlich hatte er die traditionelle Fähigkeit zu spüren, ob er es mit einem gerechten Ungläubigen zu tun hatte, von dem man sich Schutz vor den Brutalitäten der anderen Gojim erwarten durfte. Es war dies das Gespür für den sicheren Ort, die mögliche Zuflucht. Und weil Stern in Schindler diese Möglichkeit verkörpert fühlte, nahm die Unterhaltung eine besondere Färbung an, so wie die zwischen einem Mann und einer Frau, die sich auf einer Gesellschaft kennenlernen und sogleich einen erotischen Funken überspringen fühlen. Stern empfand das deutlicher als Schindler, und ausgesprochen wurde nichts, weil das zarte Band nicht beschädigt werden durfte.
»Der Betrieb könnte gute Gewinne machen«, sagte Stern. »Sie sollten mit meinem Bruder sprechen. Man könnte Aufträge der Militärbehörde bekommen…«
»Ganz recht«, murmelte Schindler.
Schon gleich nach der Einnahme von Krakau, bevor noch Warschau gefallen war, hatte man eine Rüstungsinspektion eingerichtet, deren Aufgabe es war, dafür zu sorgen, daß die heimische Industrie die Wehrmacht belieferte. Bei Rekord konnte man ohne weiteres Kochgeschirre und Feldküchenausrüstungen fertigen. Stern wußte, daß ein General Schindler die Rüstungsinspektion leitete. Sollte das ein Verwandter dieses Schindler sein? Die Antwort lautete Nein, doch wurde sie so gegeben, als läge Schindler nicht daran, daß diese Tatsache bekannt wurde.
Wie dem auch sei, fuhr Stern fort, selbst bei stark eingeschränkter Produktion mache Rekord im Jahr noch einen Gewinn von einer halben Million Zloty, und Pressen und Schmelzöfen ließen sich relativ einfach beschaffen. Schindler brauche nur Kredit.
Schindler sagte, Emailwaren lägen ihm mehr als Textilien, er kenne sich mit Landmaschinen aus, verstehe sich auf Dampfpressen und ähnliches.
Stern fragte sich nicht mehr, weshalb ein so vornehmer deutscher Unternehmer den Wunsch verspüren sollte, über Geschäfte mit ihm zu sprechen. In der Geschichte seines Volkes war dergleichen immer wieder vorgekommen und mit sachlichen Begründungen nicht vollständig zu erklären. Stern setzte Schindler die Prozedur auseinander, die hier in Frage kam: Pacht mit Vorkaufsrecht.
Die Treuhänder unterstünden direkt der Aufsicht durch das Wirtschaftsministerium. Dann wagte er eine Andeutung: »Was die anzuwerbenden Arbeitskräfte betrifft, werden Sie gewissen Beschränkungen unterliegen…«
Schindler fragte
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