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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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erwidert Sascha, dieser Grützkopf - das Wort werfe ich ihm
gleich einmal an den Kopf, woraufhin wir in Streit geraten, doch meinem klugen
Aljoscha gelingt es, uns äußerst taktvoll wieder zu versöhnen!
    Von
Saloniki wurden sie mit der Eisenbahn nach Serbien weiterverfrachtet. Und das
unentgeltlich, denn alles russische Blut floss ja um Serbiens willen. Der
Schaffner hatte statt der Fahrkarten nur den Pass mit dem russischen Wappen
sehen wollen. Ganz teilnahmsvoll habe der Serbe die Russen angeschaut, was sie
sich ja nun wahrlich nicht verdient hatten, so Aljoscha. »Haben wir etwa Blut
vergossen? Wir sind doch bloß geflüchtet, haben gemurrt ob der
Beschwerlichkeiten und des fehlenden Geldes und uns um einen freien Sitzplatz
gestritten!«
    Dann kamen
sie nach Bulgarien und von da nach Rumänien, wo sie das Schiff bestiegen und
auf der Donau in Richtung Schwarzes Meer fuhren. Es ähnele dort dem Unterlauf
der Wolga, sagte Aljoscha. »Und Ismail? Sie müssen doch an Ismail vorbeigekommen
sein!«, fragte Papa. Aljoscha bejahte lachend: Ganz zufällig, weil er zum
Rauchen an Deck gewesen sei, habe er es gesehen. »Ismail sieht ungefähr aus wie
unser Barkassenhafen drüben am Don!« - »Nicht größer?« - »Nein.«
    Ich bin
müde. Mehr zu schreiben fehlt die Zeit und die Kraft.
    Aljoschenka!
Ich liebe und küsse dich! Bis morgen!
     
    5. Oktober
1915. Montag
    Wieder
dieser Sabugski! Der bringt mich noch ins Grab! Heute schrieben wir eine
Klassenarbeit, er tigerte durch die Klasse und passte auf, dass niemand
abschrieb. Jedes Mal, wenn er vorüberkam, blieb er hinter meinem Rücken
stehen, spähte über meine Schulter ins leere Heft und zischte: »Na, fabelhaft!
Na, fabelhaft!« Ich musste mich zusammenreißen, um nicht loszuheulen. Er beugte
sich so tief über mich, dass ich seinen ekelhaften Atem spürte. Einmal schien
es mir sogar, als berührte er meine Haare - wahrscheinlich musste er sich sehr
zurückhalten, mich nicht am Zopf zu packen und zu ziehen. Und dabei kratzt er
sich beständig diese Warze...
    Nachtrag nach
dem Abendessen. Ich erzählte gerade von meinem Peiniger, und Papa sagte,
Sabugski habe im vorigen Jahr seine Frau begraben, die - und auch das Kind -
bei der Geburt gestorben sei. Das wusste ich nicht. Warum sind die Menschen so
gemein? Warum bin ich es?
     
    9. Oktober
1915. Freitag
    Heute war
ich bei Aljoscha, er wollte mich seinen Eltern vorstellen. Es war schon ein
bisschen heikel. Aljoscha meinte hinterher, ich hätte ihnen gefallen! Sehr
sympathische Leute. Haben die ganze Welt gesehen, in verschiedensten Ländern
gelebt. Sein Vater erzählte, wie er 1894 das furchtbare Erdbeben in Konstantinopel
überstand, als binnen zwei Minuten zweitausend Menschen starben. Außerdem habe
er hoch oben an der Mauer der Hagia Sophia die Spur der blutigen Hand gesehen, die
jener Sultan dort hinterließ, der nach der Belagerung der Stadt über Berge von
Leichen in die Kathedrale einritt.
    Und warum
war ich noch nirgendwo? Gott, wie gerne würde ich die Welt sehen!
    Aljoschas
Eltern sprachen viel von Warschau, wo sie so viele Jahre verbracht haben. Die
Polen hätten die Russen noch nie gemocht, erzählten sie, selbst bei den
Verkäufern in den Geschäften, wenn sie das Russische hörten, hieß es gleich:
Nix verstehn russki, und fragte man einen Passanten nach dem Weg, wurde man als
»Moskal« in die falsche Richtung geschickt. Ich sagte dazu erst eine ganze
Weile nichts, aber dann erklärte ich, wir Russen seien nicht in der Lage, etwas
übel zu nehmen, verzeihen immer allen alles, und als Beispiel führte ich an,
was Njusja in ihrem Brief geschrieben hat: Aus lauter Rücksicht auf die Polen
würde unser Held in Glinkas Ein Leben für den Zaren neuerdings
nicht mehr durch polnische Säbel sterben, sondern erfrieren. Da lachten alle,
und ich war sehr irritiert, aber Aljoscha schaute mich so freundlich an, dass
mir leichter wurde und ich ins Gelächter einstimmte.
    Sein
kleiner Bruder ist ein sehr netter Junge, aber ein schrecklicher Quälgeist,
ewig kam er in Aljoschas Zimmer gerannt und wollte nicht in seines gehen.
Aljoscha versprach ihm einen Zaubertrick, denn nur so war Timoschka zu
bestechen, damit er das Zimmer verließ. Also goss Aljoscha Wasser ins
Buddeleimerchen und wirbelte es auf dem Hof so im Kreis, dass das Wasser nicht
herauslief, wenn es umgekehrt in der Luft hing.
    Wir
küssten uns und sprachen übers Theater; dann wollte er etwas über das Lazarett
wissen, in das ich gehe. Da war ich aber

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