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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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Da
ergreift er den Hammer, zerschlägt erst die Skulptur, erschlägt dann Stella und
stürzt sich vom Felsen.
    Als wir
hinauskamen, regnete es. Ganz Rostow unter Schirmen und in Galoschen. Ich
schmiege mich an Aljoscha und denke: Irgendwie ging es da nicht um Liebe in
diesem ganzen Zinnober. Liebe ist das hier: er und ich.
    Ob es
Aljoscha wirklich ernst meint, in den Krieg ziehen zu wollen? Mich einfach
sitzen zu lassen? Was fällt ihm ein!
     
    20.
Oktober 1915. Dienstag
    Eben komme
ich von der Kolzowa-Seljanskaja. Nina Nikolajewna ist eine höchst ungewöhnliche
Frau! Alt und immer noch schön, graziös, klug obendrein. Sie hat alle gekannt!
    Aber wie
ungerecht die Welt doch eingerichtet ist: Niemand kann das alles mehr
gebrauchen! Ihr ganzes Leben, all ihre Erfahrung, all ihre Schönheit, all ihre
Worte, ihr Wissen, ihre Erinnerung an Menschen, ihre Geschichten - das alles wird
mit ihr verschwinden!
    Über die
Kadmina, die berühmte Sängerin, mit der sie in jungen Jahren befreundet war:
»Das Dummchen! Hat sich auf der Bühne mit Streichhölzern vergiftet wegen einer
abgewiesenen Liebe!«
    Über sich
selbst: Sie sei vom Theater weggegangen, weil sie nicht als komische Alte enden
wollte.
    Über ihren
Partner auf der Bühne: »Er darf keine schweißigen Hände haben.«
    Über ihren
Künstlernamen: Als sie Schauspielerin wurde, habe die Verwandtschaft
mütterlicherseits sie genötigt, den Namen zu ändern, um den Ruf der Familie
nicht zu beflecken. »Mir kam es darauf an, die Initialen beizubehalten, damit
ich nicht auch noch die Wäschezeichen und die Monogramme auf den Teelöffeln
ändern lassen musste.«
    Und zu mir
sagte sie noch: »Du hast Talent, Kindchen! Aber das genügt nicht. Auch Fleiß
genügt nicht. Auch nicht die Liebe zum Theater. All das reicht noch nicht aus.
Das Leid muss an deine Tür geklopft haben. Du musst alles am eigenen Leibe
erlitten und erfahren haben - auch das, was man lieber nicht erfahren
möchte.«
    Wozu Leid?
Ich will kein Leid!
    Sie hat
auf ihrem Fensterbrett einen großen Topf stehen, in dem außer Erde nichts ist.
»Was soll das sein, Nina Nikolajewna?«, fragte ich. »Ich habe einen
Zitronenkern gepflanzt, als Orakel: Wenn er austreibt, werde ich noch lange
leben. Eine Altersdummheit.«
    Auf der
Kommode steht eine Fotografie: der Schauspieler Seljanski, ihr zweiter Gemahl,
ein sehr hübscher Mann. Als sie sah, dass ich ihn betrachtete, lachte sie.
Erzählte, dass er ein Trinker war, und was für einer. Als er irgendwas
angestellt hatte und deswegen vor Gericht stand, sagte sein Anwalt vor der
Verhandlung zu ihm: »Äußern Sie ja kein eigenes Wort! Nur das, was ich Ihnen
hier aufgeschrieben habe! Das lernen Sie auswendig und spielen es vor!« Er
wurde freigesprochen. »Die Rolle seines Lebens!«
    Und sie
hat mir Chlestakow auseinandergesetzt. Alles ganz einfach! Ich verliebe mich
gar nicht in Chlestakow, sondern in Petersburg - das wahre, das ferne Leben!
Und wenn nicht in Petersburg, dann einfach in die Liebe an sich. Ich bin
verliebt in die Liebe! So wird mir gleich alles klar!
    Sie
erinnert sich noch an Sarah Bernhardts Ankunft in Odessa. Man suchte die
französische Berühmtheit ihrer jüdischen Abstammung wegen zu obstruieren, auf
der Deribassowskaja warf gar jemand einen Stein auf ihre Kutsche. Ein dürres,
rothaariges Geschöpf sei die Bernhardt damals gewesen. Alles sprach von ihrer
Exzentrik: Sie schlafe in einem Sarg, laufe im Pierrotkostüm durch das eigene
Haus. »In Wirklichkeit war sie nur ein herausgeputztes Äffchen. Und auch mit
ihrer hochgelobten Stimme konnte sie der Jermolowa nicht das Wasser reichen!«
    Ich hörte
ihr zu und dachte bei mir: Vielleicht ist das nur der Neid einer verkrachten
alten Existenz? Weil die eine den großen Erfolg, den Weltruhm für sich hat,
während die andere in irgendeinem Rostow auf ihrem kärglichen Altenteil hockt?
Obwohl vielleicht nicht weniger talentiert als die berühmte Bernhardt? Wie
geht das zu? Warum sind die einen vom Schicksal verwöhnt und die anderen gestraft?
    Liebes
Schicksal! Sei nett zu mir, bitte! Was kostet es dich, gnädig zu sein? Gib mir
alles!
     
    24.
Oktober 1915. Samstag
    Was ich
heute morgen beim Erwachen als Erstes sah: Stäubchen auf einer Rutschbahn aus
Licht! Sonne und Staub ergaben zusammen eine Bahn quer durchs Zimmer, die so
fest gebaut und gut gefedert aussah, dass man am liebsten heruntergerutscht
wäre!
    Wunderbar,
so aufzuwachen, in sich zurückzukehren von irgendwoher - Seid gegrüßt,

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