Schischkin, Michail
bestimmt genauso ausgenutzt, um
deren Kleider, Strümpfe, Schuhe und Hüte anzuprobieren.
Fleißig
ist sie, reinlich und verschlossen. Ein stiller, tiefer See.
Einen Lohn
wollte sie erst gar nicht haben - ach, das gebe ich sowieso gleich wieder aus;
wenn ich etwas für die Kerze in der Kirche brauche, geben Sie mir doch sicher
was, und: Bei Ihnen ist das Geld besser aufgehoben, ich verliere es nur.
Muss mit
ihr Schuhe kaufen gehen, sie läuft in sonst was herum.
Ich hielt
das Exil in der Sommerfrische nicht länger aus und war mit Iossif in Moskau. Da
ist es staubig und stickig, aber wenigstens gibt es Menschen.
Wir waren
zu Besuch bei Dneprow und der Militsch. Den halben Abend sprachen wir über die
Moskauer Umbettungen. Alle waren frappiert von der Kunde, wie geradezu
lebensecht der Leichnam von Rubinstein noch ausgesehen haben soll. Außerdem
sprachen wir über die Eremitage-Bilder. Dneprow weiß vom Hörensagen, Grabar
habe verkündet, achtzig Prozent der wertvollsten Gemälde seien ins Ausland
verkauft, und bald würden sie mit großem Gewinn zurückgekauft.
Auch
Alexandrow beehrte uns mit seiner Anwesenheit. Er wurde gefragt, wie er den
Stier in den Lustigen Burschen so betrunken habe aussehen
lassen. Man zog ihm bei den Dreharbeiten in Gagra die Beine mit Draht zusammen,
das war der ganze Trick. Aber das sei doch Tierquälerei, empörten sich die
anwesenden Damen. Alexandrow lachte nur. Bei Meyerhold, so erzählte er, hatten
alle Prügeleien auf der Bühne echt zu sein, man schlug sich die Nasen blutig,
und das Blut, das da sprudelte, war echt. Wer die Kunst ernst nehmen wolle,
verkündete er, müsse zu Opfern bereit sein. Und nicht nur einen Stier, sondern,
wenn es drauf ankommt, den eigenen Sohn opfern - wie Abraham.
Ich sah
ihn an und zweifelte keine Sekunde: Ja, der würde das tun, ohne mit der Wimper
zu zucken. Den Sohn und die Frau und alle hier an diesem Tisch.
Da saß er,
kippte Wodka, stippte Hering und saure Pilze und war der Erfolg in Person. Von
Begegnungen mit Chaplin hat er erzählt und wie die Prominenz in Hollywood sich
darum gerissen habe, ihn zum Essen einzuladen. Weiß der Teufel, vielleicht hat
ihn ja tatsächlich mal jemand eingeladen.
Angeblich
baut er der Orlowa in Wnukowo eine Datscha nach eigenem Entwurf - die Fenster
in Herzform. Der Gipfel geistiger Armut und Geschmacklosigkeit.
Wie gern
kommt man aus Moskau zurück nach Valentinowka! Die Stadt hat auf mich einen
seltsamen Eindruck gemacht. Man spürt zwar, das Leben ist besser geworden:
Lebensmittelkarten sind abgeschafft, die Valutaläden, Stätten der
Erniedrigung, wohin die Leute ihre Goldzähne brachten, sind geschlossen,
Lebensmittel gibt es reichlich, und das Angebot nimmt immer noch zu, die
Theater und Kinos sind voll. Aber davon abgesehen, ist alles beim Alten: weil
die Menschen die alten sind! Die Dneprows brüsteten sich mit ihrem neuen
schwedischen Wohnzimmer, dem neuen Radio. Das Haus ist bis oben hin voll mit
Plunder. Alles Schau, alles blauer Dunst für die Leute. Im Beisein der Gäste
schickte die Militsch ihre Köchin ins Jelissejew, gekochten Schinken kaufen -
für den Spitz. Und dann sehe ich auf der Nachhausefahrt, wie schlecht die
Frauen in den Straßen gekleidet sind, und alle schleppen sie etwas:
Benzinkanister, Taschen, Säcke und Körbe, zwängen sich damit in die
Straßenbahn. Ich ernte gehässige, missgünstige Blicke.
Warum,
frage ich mich, verachten die Leute einander nur so und befleißigen sich, den
anderen auszustechen: mit Wohnungen, Pelzen, Bediensteten, Liebschaften, Autos,
einem satten, fetten Leben?
Vielleicht
folgt die Strafe dafür ja nicht erst nach dem Tode, sondern schon vorher.
Der
Spiegel in der Diele ist gnädig zu mir, er zeigt mich so, wie ich sein möchte;
der im Schlafzimmer hingegen ist gnadenlos, er liefert mich aus, wie ich bin,
mit allen Falten, dem aufgeschwemmten Bauch. Werde ich etwa schon alt? Es
lässt sich nicht mehr so leicht verbergen wie früher. Anscheinend fürchtet das
Alter sich nicht mehr vor mir, nimmt sich zunehmend mehr heraus, hält Einzug
wie in sein eigen Haus: graue Haare, die ich nach schlaflosen Nächten finde,
Runzeln, die gestern noch nicht da waren. Die Falte am Mund ist eine Großmutterfalte.
Neuerdings
gebe ich wie Mama beim Haarewaschen ein bisschen Waschblau ins Wasser, damit
die grauen Haare nicht auch noch gilben.
Doch am
deutlichsten spüre ich die verflossene Zeit, treffe ich jemanden, den ich lange
nicht gesehen habe. Beim
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