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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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riesig. So eine hätte ich gern auf unserer
Datscha: eine, in die man eintritt, nicht
hineinklettern muss und die Beine in die Luft werfen dabei.
    Als Kind
spielte ich ein Spiel, das ging so: Wenn ich einmal groß bin, wohne ich in
einem Riesenhaus mit vielen Zimmern, die richte ich mir ein.
    Nun bin
ich groß und beim Einrichten.
    Alle
Träume werden wahr. Und was hat man davon?
    Heute war
es brütend heiß. Jeder verkroch sich, so gut er konnte. Die Strohjalousien an
den Fenstern sind herabgelassen. Im Garten direkt vor dem Balkon steht ein
alter Sauerkirschbaum, man kann sich über die Brüstung lehnen und Kirschen
pflücken. Durch die Ritzen zwischen den Strohhalmen kann man die heiße Luft
flimmern sehen. Überall wird gehauen und gehämmert - Valentinowka ist eine
einzige Baustelle.
    Hitze von
morgens an, das Thermometer zeigte über 20 Grad im Schatten, auf dem
Fensterblech hätte man schon ein Spiegelei braten können.
    Nach dem
Morgenkaffee saß ich in der Schaukel auf der Terrasse und blätterte die
Modezeitschriften durch, die ich von der Schneiderin entliehen habe. Mascha in
der Küche klapperte mit den Töpfen, Mama hörte Radio. Iossif ist in Moskau, er
wird erst am Samstag herauskommen.
    Lugowskoi,
was mein Verehrer hier in der Datschensiedlung ist, kam auf seinem Motorrad mit
Beiwagen vorbei, und wir fuhren zum Wehr baden. In dem Ding zu fahren ist
furchtbar unbequem, man wird durchgerüttelt, doch es war lustig, wir haben
viel gelacht. An der Kljasma ist es still und schön. Lugowskoi, trotz seiner
vielen Rauten am Kragenspiegel, alberte herum wie ein kleiner Junge. Fing
Gründlinge in der Sturzkappe. Anschließend setzte er sie auf, mit allem Wasser,
was darin war.
    Auf dem
Rückweg fuhren wir am ehemaligen Gut der Sagorjanskis vorbei, um die Ruinen des
aufgegebenen Hauses zu besichtigen. Ein großer, schöner Park; die Statuen alle
vom Sockel gestürzt und zerschlagen. Der Teichgraben, der den Garten
hufeisenförmig umschließt, seit Langem versumpft. Die Bäume innen morsch,
werden nur noch von der Rinde gehalten. Die Stege eingestürzt. Was nicht zu
klauen ging, haben die Anwohner zerdeppert. Ich stellte mir vor, wie früher
alles war. Jemand hat sich einmal viel Mühe gemacht, damit alles schön wurde.
Unter dem wuchernden Giersch entdeckte Lugowskoi das Grab der letzten
Gutsbesitzer, gestorben noch vor der Revolution: Bytschkow,
Maxim Stepanowitsch & Maria Fjodorowna, Gottes Knecht und Magd. Bloß gut,
dass die Bytschkows das alles nicht mehr mit ansehen mussten.
    Gegen fünf
kehrten wir heim. Mama und Mascha standen im Garten am Rost und kochten
Marmelade. Ich wollte vom Schaum kosten, führte den Löffel zum Mund, blies
umständlich - da gab Lugowskoi, dieser dreiste Kerl, mir einen Stoß gegen den
Ellbogen. Mund und Wangen völlig verschmiert! »Aha!«, rief ich. »Dann kriegt
jetzt jeder von mir einen Kuss!« Alles stob auseinander. Ich hinterher. Eine wilde
Jagd durch den Garten und um den Rost herum. »Das wird der süßeste Kuss aller
Zeiten! Wer will, wer hat noch nicht?« Und dabei lachten wir uns halb tot.
    Warum ich
dies alles aufschreibe? Weil sonst absolut nichts Wichtiges, Außerordentliches
passiert ist. Ein ganz normaler Datschatag in der Mitte irgendeines Jahres,
irgendeines Jahrhunderts.
    Im Radio
bringen sie Ausschnitte aus Mozarts Don Giovanni. Gerade
erklingt die Arie des Giovanni vor Donna Elviras Balkon.
     
    Abrupter
Wetterwechsel. Seit dem frühen Morgen regnet es pausenlos. Zahlenlotto
gespielt. Langeweile. Keine Lust zum Lesen. Es wurde schnell dunkel. Als der
Regen endlich aufhörte, wollte ich unbedingt noch nach draußen. Gut, dass ich
Iossif habe überreden können, die Wege mit Backsteinen zu pflastern - so kann
man nach dem Regen spazieren gehen, ohne durch Pfützen zu müssen und im Dreck
zu versinken. Ich trat hinaus in den nassen, kalten Garten. Es war so
ungemütlich, als zöge man sich eine feuchte Wolljacke auf den nackten Körper.
Bei jedem Schritt knackten Schneckenhäuser unter den Sohlen. Wir haben eine
Schneckeninvasion dieses Jahr. Ich stand da und guckte in die Bäume, den
Himmel, die fliehenden Wolken, die Äpfel, den Streifen Licht zwischen den
Vorhängen in Mamas Fenster. Aus den Zweigen tropfte es. Nasses Geraschel
überall, in den Baumkronen ein leises Platschen. Nach dem Regen ist der Duft
des Phlox von durchdringender, berauschender Süße.
    Ich ging
auf die leere Terrasse, nahm Platz in der Schaukel. Machte kein Licht. Und
hätte in diesem

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