Schischkin, Michail
Flittertrikot,
auf eleganten, hochhackigen Schuhen, mit ultramodernen Frisuren. Ich versuchte
zu erraten, welche die seine war, aber dann sagte ich mir: Ist doch egal! Sie
sind ja alle gleich.
Wir sind
zurück in jenen biblischen Zeiten, da der Mann so viele Frauen hatte, wie er
unterhalten konnte.
Ich habe
ja auch meinen Teil Schuld daran, ich weiß. In den grässlichen Jahren der
Flaute, als ich nicht aus dem Haus gehen wollte und keinen sehen, ließ ich all
meinen Groll, all meine Gereiztheit an Iossif aus. Er stand zwischen ihnen und
mir. Er versuchte mich vor jener Welt abzuschirmen, in Schutz zu nehmen, so gut
er konnte, tat alles, um die Schläge abzumildern, den Schmerz zu lindern. Ich aber
wurde langsam wahnsinnig, und die Skandale, die ich vom Zaun brach, all meine
Hysterie - sie trafen ihn. Meinen armen Ossik. Ich hasste diese Leute, aber
darunter zu leiden hatte mein Mann. Ich konnte nicht mehr mit ihm schlafen, es
ging einfach nicht! Und alle Versuche, die Sache wieder einzurenken, zu
bereinigen, miteinander zu reden, endeten in unschönen Szenen. Ich weiß nicht,
wie man in diesem Dauerzustand von Krawall und Querelen überhaupt leben konnte.
Es
bedurfte nie eines besonderen Anlasses. Gereiztheit, angestaut über ein paar
Tage, ein Moment der Verdichtung - und die Entladung ließ nicht auf sich
warten. Ich sage etwas, er hört mir nicht zu, kleidet sich zum Ausgehen an, ein
Blick zum Wecker auf der Kommode, es folgt die beiläufige Bemerkung: »Du hast
noch drei Minuten!« - und das war's. Ich ergriff die Uhr und schmiss sie zu
Boden.
Der sich
anschließende Streit war nicht etwa stürmisch und laut, wie Liebende sich
streiten, sondern kühl und verhalten.
Das
Verständnis füreinander hatte aufgehört. Es war wie eine Störung in der
Leitung. Zu viel Rauschen und Knacken, man drang zum anderen nicht durch. Jeder
hörte nur sich selbst, den Widerhall der eigenen Stimme.
Und
genauso musste ich feststellen, dass ich den Kontakt zu mir selbst, meinem Körper,
verloren hatte. Hinterher sah ich die Spuren meiner Fingernägel in den
Handflächen. Ich hatte die ganze Zeit mit geballten Fäusten gestanden und nicht
gemerkt, dass ich mir wehtat.
Mir fällt
unser letzter Rabatz wieder ein - wegen einer Vase. Wann war das? Letztes
Frühjahr. Nicht mal eben nur Teller und Tassen gingen zu Bruch, sondern eine
teure chinesische Vase aus wer weiß was für einem Jahrhundert, voller Stolz
hatte er sie aus irgendeinem Antiquitätenladen angeschleppt. Und plötzlich, als
es passierte, das sonderbare Gefühl: Das bin gar nicht ich. Ich bin längst ganz
woanders. Das ist eine andere, die hier herumbrüllt wie eine Furie und meint,
sie müsste ein paar teure, ansehnliche Dinge zerschlagen. Während ich selbst
mich längst wieder beruhigt habe, nichts tut mehr weh, nichts tut mehr leid.
Und dieser Mensch ist mir schon dermaßen fern, er kann mir gar nicht mehr
wirklich etwas anhaben.
Vor allem
aber graute mir vor mir selber. Ich merkte, dass ich mich hasste, wenn ich so
war.
Mein
erster Gedanke war: Ich bringe ihn um. Erst ihn und dann sie. Sprenge das Haus
in die Luft. Vernichte die ganze Welt... Doch schnell hatten die Tränen und die
Leidensfähigkeit sich erschöpft, ich beruhigte mich und tat, als wüsste ich von
nichts, als ginge in unserer Beziehung nichts Außergewöhnliches vor.
Wie hasste
ich seine Stimme, wenn er anrief und sagte: »Bellotschka, mein Liebes, ich muss
für zwei Tage verreisen!« Mir etwas vorfaselte von irgendwelchen geschäftlichen
Dingen. In Wirklichkeit rief er aus dem Hotelzimmer an, das er gebucht hatte,
um die Nacht mit seiner Geliebten zu verbringen. Die vielleicht daneben saß und
ihm die Knie streichelte. »Aber ja«, antwortete ich, bemüht, das Zittern in
meiner Stimme zu unterdrücken, »mach dir keine Sorgen, Osja! Komm nur recht
bald wieder! Ich liebe dich sehr und warte auf dich!«
Dabei
schaute ich in den Spiegel. Ich habe Falten am Hals. Die hat sie nicht.
Aber
derlei Geschöpfe sind nicht die schlimmsten. Solche Hupfdohlen muss man nicht
fürchten. Fürchten muss man die Stillen, Sittsamen, die mit den staunenden
Kinderaugen. Wie Mascha sie hat.
Sie ist
tatsächlich noch ein Kind. Einmal kam ich nach Hause und sah Mascha aus meinem
Zimmer springen. Es war offensichtlich, dass sie es sich auf meinem Bett
gemütlich gemacht hatte.
Doch ich
konnte mich gut in sie hineinversetzen. An ihrer Stelle hätte ich die
Gelegenheit, dass die Herrin außer Haus war,
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