Schischkin, Michail
Etruskern zurückgelassene Schlauch, die abgetragene, nach deinem Fuß
riechende Sandalette. In Shorts und Bikinioberteil hängt sie Wäsche auf die
Leine: deine Unterhosen und ihre Slips, Socken und Söckchen, schön dicht bei
dicht, sodass sie sich aneinander reiben können, liebkosen. Sie stellt den Fuß
auf den Rand der Luftmatratze, macht sie so praller, hebt dich an. Das Bein ist
voller Stiche. Hält dir die Tube hin, dass du es ihr einreibst. Die Mückenbrut
hier ist klein und gemein, bevor man sie noch hört und spürt, juckt es schon.
Das Bein - braun gebrannt, schlank und zart, noch nicht vom Stahlblech
malträtiert, ohne Narbengeflecht. Aufgekratzte rote Stiche an Wade und
Schienbein, auf dem Spann. Du möchtest jeden Stich einzeln küssen, mit der
Zunge befeuchten, sie zieht das Bein weg: He, nicht doch, das ist schmutzig! Du
ergreifst die Ferse, küsst den Knöchel, Isolde lacht, hüpft auf einem Bein,
klatscht dir die Tube gegen Kopf und Schultern, verliert das Gleichgewicht und
fällt, fängt sich an deinem Hals, die Matratze schlägt aus, bäumt sich auf,
wirft euch ab ins Gras. Und im Himmel trocknen Slip und Unterhose, Söckchen und
Socke, von allem Fleisch ein Paar, nach der Sintflut in der lieben Sonne, und
solange die Erde stehet, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze,
Sommer und Winter, Tag und Nacht. Dann fahrt ihr die Fresken von Luca
Signorelli anschauen. Die Straße schwenkt die Hüften. Im Tal liegt der Tiber.
Manchmal sieht man zwischen Bäumen ein Stück davon, Isolde ruft: »Sieh doch,
was für ein komisches Boot!«, aber du ziehst es vor, auf die Straße zu sehen.
Zwischen Todi und Orvieto sitzen im Kilometerabstand schwarzhäutige Frauen am
Straßenrand, die den Vorbeifahrenden, die Augen mit der Hand schirmend,
entgegensehen. Sobald einer bremst, springen sie auf. Morgens werden sie längs
der Strecke verteilt und abends wieder eingesammelt. Isolde empört sich: Wie
kann man diese armen Frauen zwingen, sich feilzubieten, und dann auch noch in
den Büschen, wie die Hunde. Das sind vielleicht die Huren aus der Bibel, sagst
du im Scherz. Die gibt es nicht, erwidert sie. Hinter der nächsten Kurve steht
wieder eine und sieht euerm Wagen hinterher. In Orvieto sind alle Parkplätze
belegt, doch ihr habt Glück, da fährt gerade einer los. Ihr geht in den Dom, wo
aber die Messe läuft mit anschließender Firmung, die Kapelle mit den Fresken
ist geschlossen, ihr müsst warten, bis alles zu Ende ist. Außerdem feiern sie
hier Palombella, das Fest der weißen Taube - ausgerechnet heute! Über die
Köpfe hinweg seht ihr in der Tiefe der Kathedrale, vor dem Altar, zwei Nonnen
einen Mädchenchor dirigieren. Die Mädchen tragen weiß-rosa Kleidchen. Sie
singen etwas Flottes, es könnte aus einem amerikanischen Musical sein, alle
wiegen sich im Rhythmus, klatschen in die Hände oder werfen sie mal links, mal
rechts in die Höhe und schnipsen mit den Daumen dazu. Gleich darauf beginnt das
Fest auf der Piazza. Über der Menge schweben Sperrholzwolken, aus denen die
Taube geflogen kommen muss, um die entscheidende Botschaft zu übermitteln, ohne
die man unmöglich leben kann. Salut. Donner und Gloria. Im Umkreis der unbefleckten
Maria und der Kreuzigung werden Feuerwerkskörper entzündet, Madonna und
Kruzifix versinken im Rauch der Raketen. Vom anderen Ende der Straße her wird,
gleichfalls mit Geknall und Geknatter, der Käfig auf ein gespanntes Seil
gelassen, er zieht eine blaue Rauchschleppe hinter sich her. Darin, im
gläsernen Zylinder, zuckt und flattert der zu Tode verängstigte Vogel. Die
Italiener klatschen Beifall, brüllen vor Begeisterung. Das Ende des Festes
lässt sich am besten im Restaurant abwarten. Durch die offen stehenden Fenster
ist schon wieder Donner zu hören, diesmal ist er echt. Wahrscheinlich hat sich
die Taube, dem Zylinder entronnen, höheren Orts beschwert. Steinige sie!
Folglich Gewitter und Hagelschlag. Es trommelt auf ein Blechdach. Ihr sitzt am
Fenster, seht riesige Hagelkörner auf den Asphalt schlagen und zurückspringen,
sie prallen höher als die Fenstersimse. Menschen flüchten vom Platz herein ins
Restaurant, lärmend und lachend. Hoffentlich schlägt es uns nicht die
Autoscheiben ein, sagst du, während Isolde immer noch bei den Frauen an der
Landstraße ist: Die Armen!, seufzt sie, wie mögen die sich jetzt fühlen in
ihrem Gebüsch! Eisbröckchen segeln zur offenen Tür herein. Der Kellner kehrt
sie eilig wieder nach draußen, er lacht euch zu,
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