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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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des Vaters widergespiegelt hat, der mit ansehen muss, wie
seine beiden Söhne sterben! So viel Schönheit ist unvergänglich! Das Erhabene,
in Stein gefasst für die Ewigkeit! Und der Arm, wohin ist denn nun der Arm
gestreckt, nach oben oder nach hinten?«
    »Weiß ich
nicht mehr.«
    »Ja, sag
mal! Wozu bist du überhaupt nach Rom gefahren?«
    Sie
gelangen auf die Piazza Colonna. In die Nase schlägt Ledergeruch von Taschen,
die auf dem Gehweg ausgestellt sind. Gerade beugt die Galpetra sich nieder, um
eine zu befingern, da rafft der Verkäufer, ein Schwarzer, seine Ware zusammen
und rennt, ein Dutzend Taschen auf jeden Arm fädelnd, davon. Wahrscheinlich hat
er einen Wink bekommen, dass die Polizei naht. Die ausgebreiteten Armen mit
den schlenkernden Taschen daran lassen an Flügel denken.
    »Ich bin
schlapp. Mir tun die Füße weh. Wollen wir hier ein bisschen rasten?«
    Sie setzen
sich auf das eiserne Geländer um die Marc-Aurel-Säule. Touristen betrachten
durch Ferngläser die Säulenreliefs. Darauf siegen die Römer über die Sarmaten,
und ganz oben steht Paulus mit dem Schwert. Ächzend beugt die Galpetra sich
nach vorn und löst die Bänder an den Pantoffeln. Tauben überall. Eine flattert
wild um Galpetras Kopf, sodass der Zettel am Klebeband auf ihrem Rücken kurz
nach oben klappt. Die Galpetra fuchtelt mit den Armen.
    »Puh! Fort
mit euch!«
    Sie zerrt
sich die Stiefel mit den eingefressenen Salzmustern von den Füßen. Spreizt die
Zehen.
    »Und du
hockst hier in Rom und gehst nirgends hin, was?«
    »Nein,
wieso? Gestern erst bin ich zur alten Via Appia gefahren.«
    »Und, was
gibt's da zu sehen?«
    »Die
Straße halt. Steine, alt und abgewetzt. Mit Rinnen von den Wagenrädern. Längs
der Straße wurden Spartacus' Krieger gekreuzigt. Wie ich da so lief, fiel mir
ein, als Kind hab ich in unserem Kulturpalast an der Presnja den Spartacus-Film
gesehen, und danach spielten wir immer Gladiatoren, mit Eimerdeckeln als
Schilden. Auf den Treppenabsätzen standen damals noch diese Kübel für
Essensreste, die hatten Deckel, die wir immer klauten, was der Hausmeisterin
gar nicht gefiel.«
    Eine alte
Frau nähert sich, es ist die aus der Elektrosawodskaja. »Prego! Mangiare!« -
mit zitternder Hand. Die Finger sind schwarz.
    »Ich hab
nicht mal was zum Geben«, seufzt die Galpetra und zieht vorsichtshalber die
Füße ein. »Und mehr gibt's dort nicht zu sehen auf der alten Straße, na sag
schon, die mit Spartacus?«
    »Eine
Kirche gibt es noch, die heißt Domine quo vadis. Wie der Roman von Sienkiewicz:
Wohin gehst du.«
    »Kenn ich.
Und?«
    »Ich bin
reingegangen. Da war niemand. Nur eine Sienkiewicz-Büste stand herum. Ich
wollte schon weitergehen, da sah ich auf dem Gang ein Gitter in den Boden
eingelassen. Darunter war eine weiße Platte. Ich trat näher. In dem Stein waren
zwei Fußabdrücke. Es ist die Stelle, wo Jesus sich Petrus gezeigt hat, und die
Spuren sind im Stein geblieben. Ich beugte mich nieder, um es mir genauer
anzusehen. Die Abdrücke sind groß, größer als meine. Und sehr flach. Plattfüße,
allem Anschein nach. Plötzlich verlangte es mich, sie zu berühren. Ich hatte
schon die Hand ausgestreckt, da wurde ich auf einmal unsicher.«
    »Wieso,
was war?«
    »Na, wenn
es eine Fälschung wäre, die Arbeit irgendeines Steinmetzen, der seinen Fuß
hingestellt hat, den Umriss gezeichnet und ausgestemmt, dann gäbe es wohl
keinen Grund, es anzufassen, oder? Aber wiederum - wenn die Füße wirklich
seine wären? Dessen letzte Worte gewesen sind: Mein Vater, warum hast du mich
verlassen?... In dem Moment hörte ich Schritte, aus einer Seitentür kam ein
Priester in schwarzer Soutane geeilt, kauend. Er sah mich da hocken mit
ausgestreckter Hand, ich zog sie verlegen zurück, er aber lächelte und nickte,
als wolle er sagen: Fassen Sie es ruhig an, das ist erlaubt! Ist sowieso nur
eine Kopie!, sagte er.«
    »Dacht ich
mir's doch!«, seufzte die Galpetra. »Und wo ist der echte Stein hin?«
    »Das habe
ich ihn auch gefragt. Weil es in der Kirche ständig Einbrüche gab, Sachen
geklaut wurden, haben sie das Original in eine andere Kirche gebracht, San
Sebastiano, das ist nur ein Stück weiter die Via Appia lang. Ich ging hin.
Kirche ist noch untertrieben, es ist eine große Basilika. Ich irrte eine Weile
darin herum, ohne den Stein zu finden. Oben unter der Decke schwebte ein Riese
mit goldener Mähne. Hängt da oben und schaut durch das Fenster nach draußen,
was los ist. Draußen war der Himmel mit Wolken

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