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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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mitten im Zimmer auf dem
blutüberströmten Parkett lag die alte Frau in Frotteebademantel, rosa Leggings
und zerrissenen Strümpfen. Ein Bein irgendwie unnatürlich verrenkt. Das
runzlige Gesicht grün, schmerzverzerrt. Da stieg mir ein Kloß in die Kehle und
zwang mich dazu, die Wohnung für eine Minute zu verlassen. Rauchend stand ich
auf dem Treppenabsatz und wartete, dass ich mich wieder einkriegte.
    Frage: Und auf
der Rückfahrt, während die Scheinwerfer im nächtlichen Nebel stocherten, der
zottig und zerzaust war - kein Wunder, es war ja das Fell des Untiers -,
debattierten die Lichtträger über einen Zeitungsartikel, der die Frage
behandelte, ob man in hoffnungslosen Fällen Sterbehilfe gewähren sollte oder
nicht. Und man kam zu dem Schluss, dass es bestimmt besser wäre... diese alte
Schnapsdrossel vorhin zum Beispiel, die ihre Wohnung für einen Apfel und ein Ei
verkauft hatte, die wäre wohl sowieso auf der Straße gelandet und in der Nähe
der Mülltonnen erfroren, und überhaupt hatte man mit Obdachlosen genug Ärger.
    Antwort: Noch dazu
hatte sie nur einen Hof weiter gewohnt als ich. Am übernächsten Tag, als ich
dienstfrei hatte, lief ich beim Brötchenholen am Müllplatz vorbei und sah, wie
man ihr Bett und einen Packen Wäsche heraustrug. Als ich fünf Minuten später
zurückkam, war irgendein Typ in Filzpantoffeln schon dabei, die Füße von dem
Bett zu schrauben, eine Frau mit Lockenwicklern stand daneben und erteilte
Anweisungen, der Wäschesack war verschwunden.
    Frage: Um es auf
den Punkt zu bringen: Indem Sie bei der Polizei anfingen, machten Sie Ihr Leben
sozusagen zum Kriminalroman, zu dem täglich eine Seite hinzukam. Jeden Morgen
nach dem Frühstück schaute man in den Abzählreim, was für heute anlag, und
spätestens nach dem Mittagessen bewahrheitete sich das.
    Antwort: Ach was,
von wegen Kriminalroman! Ein Blick in den Abzählreim, und du wusstest:
Betrunkene auf der Straße, irgendwo einen Familienkrach oder randalierende
Kids, das ist dann schon der ganze Roman. Einmal gab es einen Fall, da kamen
irgendwelche Bengels auf die Idee, sie könnten eine Zugentgleisung
verursachen, um den Leuten anschließend die Wertsachen abzuknöpfen, so
erklärten sie es hinterher. Also wurden auf einem durch Wald führenden
Streckenabschnitt die Schrauben gelockert. Außerdem fiel ihnen ein, die
Signalanlage außer Betrieb zu setzen, indem sie die Drähte, die unter den
Gleisen hindurchführten, mit der Kneifzange kappten. Nur die großen
Kontermuttern kriegten sie nicht auf. Da mussten sie erst zu einem von ihnen
nach Hause in die väterliche Werkstatt, den großen Spezialschraubenschlüssel
holen, und als sie den anschleppten, wurden sie von einem Streckenwärter
entdeckt. Ich hab die Jungs gefragt: Sagt mal, die Leute in dem Zug, hätten die
euch kein bisschen leidgetan? Da haben die nur gegrinst. So viel zum Thema
Kriminalroman.
    Frage: Aber Sie
haben doch bestimmt öfter mal jemanden verhaftet?
    Antwort: Klar. Das
erste Mal weiß ich noch: Wir sind nachts in eine Wohnung eingedrungen, haben
die Kinder geweckt, die anfingen zu schreien, die Frau im Morgenmantel, völlig
verschreckt, schluckte gleich Tabletten, und der, um den es ging, total nervös,
ging im Schlafanzug zum Kleiderschrank, um sich anzuziehen, dabei stieg er vor
der Teppichkante aus den Pantoffeln, und wie er den Teppich verließ, fuhr er
mit den Füßen wieder hinein.
    Frage: Und das
Untier? Wo war das Untier? Mit dem hatten Sie doch zu kämpfen vor!
    Antwort: Wo das
Untier war? Sie sagten doch schon: Es bestand aus Nebel. Kam bis unter die
Fenster geschlichen und rieb sich das Fell am Balkongitter. Und wir gingen mit
Razzien dagegen vor. Mussten ja was vorweisen. Nach jeder Razzia hatten wir ein
Protokoll zu schreiben. Damit man sah, die Razzia war nicht umsonst gewesen.
Dabei war da nichts außer Nebel. Mein Partner in der Schicht lehrte mich, wie
es ging: An normalen Tagen auf Streife schrieb man für jede Art Vergehen
Protokolle im Voraus, ließ das Datum offen und konnte dann, wenn eine Razzia
angesagt war, das nötige Protokoll aus dem Tresor ziehen und nachdatieren. Aber
damit hatte ich nur am Anfang zu tun. Später kam ich in eine Sondergruppe.
Daddy holte mich zu sich. Daddy, so nannten wir ihn alle.
    Frage: Diese
Gruppe war damit befasst, besonders schwerwiegende Verbrechen unter den
Teppich zu kehren?
    Antwort: Ja. Aber
das bekam ich erst später mit.
    Frage: Erzählen
Sie von Daddy.
    Antwort: Ach, was
soll man von

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