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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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die
sind lange verfault, nichts ist davon übrig!
    Antwort: Ich weiß.
Dort sind sie verfault. Aber hier liegen sie noch auf dem blanken Fels und
lachen dich an, als wäre in ihnen Licht.
    Frage: Was meinen
Sie mit hier?
    Antwort: Sie sagten
doch selbst, dass wir hier alle miteinander auf dieser Negerleininsel sind. Da,
wo wir nicht sind, haben die Dinge eine Form, hier haben sie ihr Wesen. Oder
habe ich Sie falsch verstanden? Dort oben in dem Tal sind die Äpfel verfault,
hier auf der Insel können sie nicht verfaulen. Gar nichts geschieht mit ihnen.
Sie liegen da.
    Frage: Und damals
wurde Ihnen klar, dass Gut und Böse sich gern einmal ineinander verkehren?
    Antwort: Nein. So
weit war ich noch nicht. Ich wusste nur, da ist einer, der dich führt. Und
vielleicht in Sicherheit bringt. Etwas wie ein gutes Omen oder ein Talisman.
Früher bei der Armee war es üblich, vor einem Einsatz frische Wäsche
anzuziehen, hier war es umgekehrt: Vor dem Kampf durfte man sich weder waschen
noch rasieren, und bloß kein Wäschewechsel, sonst war man ein toter Mann. Es
gibt da bestimmte Tabus - was man auf keinen Fall tun darf, wenn man den Tod
überlisten will. Das ist, als schlösse man mit ihm einen Vertrag: Dies und das
tue ich nicht, und du wirst mich heute verschonen. Wenn zum Beispiel ein
Verwundeter, halb ohnmächtig vielleicht, im umnachteten Zustand, sich in den
Schritt greift, dann heißt das, er wird sterben. Das darf also keinesfalls
passieren. Man muss seine Hände so halten, dass es nicht dazu kommt. Man darf
nicht die Sachen eines Gefallenen tragen, man darf sich nicht auf seinen Platz
setzen. Man darf, will man zeigen, an welchem Körperteil ein anderer verwundet
ist, nicht auf sich selbst deuten... Überdies hat jeder noch so seinen
Privatzauber, bestimmte Regeln, die nur für ihn gelten und unter allen
Umständen geheimzuhalten sind. Ich habe Toten nie etwas abgenommen, nicht
einmal eine Uhr. Und dabei festgestellt, dass auch jeder andere, sobald er
diese meine Regel verletzte, dem Tod geweiht war. Bis ich irgendwann merkte:
Das ist alles Blödsinn. Einem jeden widerfährt das, was im Abzählreim über ihn
steht, nichts anderes.
    Frage: Und das
Negerlein erlebte tatsächlich seine Entlassung und kehrte zurück auf jenes
Inselfleckchen, wo der Himmel fahl ist, die Züge am liebsten morgens ankommen
und die Luft in den Kirchen zum Schneiden dick ist von Atemluft und Stoßgebet?
    Antwort: So
ungefähr. Die ersten Tage war alles seltsam. Du gehst die Straße lang und
ertappst dich dabei, immer rauf zu den Dächern zu sehen. Bei jeder Fehlzündung
eines Motors möchtest du dich flach auf den Rasen schmeißen. Aber dann begann
die Zeit »danach«. Ein Alltag, der einem absolut nicht normal vorkam. Wo man
ständig versucht war, in die Räder zu greifen. Alle sahen zu, dass sie irgendwo
unterkamen, Geld verdienten. Ich kriegte so einiges angeboten. Aber ich war zu
stolz, zu ehrlich, zu naiv. Eine Zeit lang arbeitete ich als Wächter auf einem
Markt. Bis ich begriff, so geht es nicht weiter. Zu viel Abschaum um mich her.
Eine Säuberung stand an.
    Frage: Und der
Alltag wurde zur Arena, wie man Ihnen schon beim Einstellungsgespräch
bedeutete: Das Licht kämpft gegen die Finsternis. Und erst dachten Sie, Sie
wären dort nicht allein, es gäbe viele an Ihrer Seite, ein ganzer Ritterorden
von Lichtträgern, die mit ihren kleinen Taschenlampen gegen die Bestie der
Finsternis ankämpften. Mit der man ja erst mal fertig werden muss, wenn man
doch im Dunkeln so gar nichts sieht. Wo man hinspuckt - überall dieses Scheusal
mit seinen zahllosen Köpfen. Ihren Ärmel zierte sogar ein Abzeichen, auf dem
ein Negerlein dem Ungeheuer seinen Stablampenstrahl in den Rachen stößt, bis
die Mandeln leuchten. Kurzum: Das Negerlein ging zu den Bullen. Stimmt's?
    Antwort: Was fragen
Sie, wenn Sie's doch wissen.
    Frage: Was ich
weiß, das weiß ich aus dem Abzählreim. Während Sie eine Geschichte zu erzählen
haben. Der Abzählreim behauptet, Negerlein hätten alleinstehenden alten Leuten
ihre Wohnungen abgekauft und sie anschließend ermordet. Ihr erster Fall. Wissen
Sie noch?
    Antwort: Und ob.
Ich dachte, in Afghanistan hätte ich genug gesehen. Das hier war ein simpler
Mord in einer ganz normalen Wohnung. Als wir hinkamen, war da so ein
bestialischer Gestank, dass man ihn einfach nicht zum Fenster hinausbekam. Ein
Teller mit vergammelten Kartoffeln, von grauem Moos überwuchert.
    Ein leeres
Kefirglas mit Rissen in den weißen Wänden. Und

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