Schischkin, Michail
Anscheinend
ja. Ich wäre ein typischer Mann, hat sie einmal gesagt: von außen ein Bunker,
von innen ein Kinderzimmer.
Frage: Wie kam
es, dass sie, die fast noch ein Mädchen war, mit Ihnen, dem erwachsenen Mann,
umging wie mit einem Kätzchen?
Antwort: Sie ist ja
nur äußerlich ein Däumelinchen. Ich hab sie im Affenkäfig aufgelesen, bei der
Bahnhofsmiliz, meine ich. Da war sie betrunken abgeliefert worden. Unsere Jungs
wollten ein bisschen Spaß mit ihr haben und sie dann laufen lassen, ohne
Protokoll, tat einem ja leid um das Mädel. Ich sagte zu ihnen: Hände weg - das
ist meine. Und nahm sie mit nach Hause. Hab sie erst mal unter die Dusche
gestellt. Stand da und schaute zu, wie ihr die Wimperntusche in schwarzen
Bächen über Brust, Bauch und Beine rann. Ihre Brüste waren klein, nicht größer
als zwei aufgeblasene Bäckchen, aber mit kräftigen, abstehenden Warzen wie zwei
Stachelbeeren. Und ihre Küsse waren so gierig, dass die Zähne anstießen. Sie
blieb dann bei mir.
Frage: Aber Sie
liebten sie doch?
Antwort: Ja. Ich
weiß nicht. Wahrscheinlich dachte ich das. Vorher hatte ich ja noch mit keiner
was Richtiges gehabt. Sie hat mir alles beigebracht. Und schrie dabei jedes Mal
so, dass die Nachbarn ans Heizungsrohr klopften. Einmal, wie ich hinterher aufs
Klo ging, Hände waschen - die waren in ihr gewesen, in allen Öffnungen -, und
ihre ganzen Flakons vor dem Spiegel aufgereiht sah, da dachte ich: Die ist doch
anders als alle anderen. Da meinte ich schon etwas über Frauen zu wissen, von
Afghanistan her. Dort fuhren sie alle gern hin: Ausland immerhin, bezahlt wurde
mit Schecks. Die konnten sie für eine Wohnung ansparen und noch irgendwas mitbringen:
Klamotten, einen Fernseher, gab's ja alles nicht. Man darf nicht vergessen, was
das für Zeiten waren - da ging alles nur unter der Hand weg, über geschlossene
Verteiler. Und auch wenn du keinen Namen hattest, ein Niemand warst, du
wolltest ja trotzdem wie ein Mensch leben. Also fuhren sie alle diesen Schecks
hinterher in den Krieg - zur Arbeit in den Hospitälern, in den Magazinen, im
Wäschereikombinat. Taten sich mit irgendeinem Oberst zusammen oder einem
Fähnrich, was ungefähr gleichbedeutend war, der Fähnrich hatte unter sich ein
Magazin, während ein Oberst seinen Fähnrich ins Magazin schicken konnte,
irgendwas holen. Gewohnt wurde im Wohnheim, »Katzenhaus« hieß das. Aber mit uns
gemeinen Soldaten gaben diese Frauen sich natürlich nicht ab - wozu auch? Was
hätte so eine von uns absahnen können? Einen zerrissenen Fußlappen vielleicht?
Und darum kam es mir so vor, als wäre Lenka von anderer Art. Wer war ich denn?
Ein Niemand, Bulle mit niedrigstem Gehalt. Und trotzdem blieb sie an mir
kleben, schlug unmerklich Wurzeln bei mir. Und sie war gut drauf. Erzählte
lustige Geschichten. Darüber, wie sie von ihren altgläubigen Eltern abgehauen
war, in einer Spinnerei gearbeitet hatte - gesundheitsgefährdend, der Staub vom
Faden ging auf die Lunge, aber immerhin gab es einen Wohnheimplatz. Irgendwann
war sie dort weggegangen und als Kellnerin in einem Café untergekommen. Dazu
gab es die Geschichte, wie sie sich manchmal den Dreck von den Nagelrändern
gepult und unter das Speiseeis gemischt hatte, darüber konnte sie sich
zerfetzen vor Lachen. Mir gefiel, wie sie die Unterlippe nach vorn schob und
sich die Haare aus den Augen pustete. Sie fand Arbeit in einem Frisiersalon -
da kam ich auch ständig dran. Kaum dass es ein bisschen nachwuchs, war ich
wieder fällig. Von ihr die Haare geschnitten zu kriegen war ein einziges
Behagen. Und außerdem sah ich ihr gerne beim Schminken zu. Wollte immer genau
wissen, wozu dieses gut war und wozu jenes. Lachend zeigte sie es mir: Schau
her, damit die getuschten Wimpern noch länger aussehen, muss man mit Puder und
Seife beigehen. Die Enden ihrer Wimpern waren zu kleinen Stacheln verklebt.
Einmal kam ich spät vom Dienst, betrat das Zimmer und fand sie schlafend vor,
den Kopf unter der Decke, nur die Haare flossen über das Kopfkissen. Die Jungs
in der Abteilung versuchten mich zu warnen: Däumelinchen von ihrer Art wären
mit den Gedanken flink wie Eidechsen, aber so eine schnitte sich ins fremde
Leben wie ein Messer, tief bis ans Heft. Ich gab nichts darauf. Die sind bloß
neidisch, dachte ich. Und das waren sie ja auch. Einmal unternahm ich mit ihr
eine Bootsfahrt. Zum See führte ein Pfad zwischen Brombeerhecken hindurch.
Lenka trug einen langen, weiten Rock, grellbunt, aus irgendeinem
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