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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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Gesellschaft mit einem Bein in der Knochenflickerei. Na, und der Vierte hätte
gern im Protokoll stehen, dass hier bei uns schönes Wetter ist, nicht zu warm
und nicht zu kalt, während die vier Jahreszeiten bei ihm zu Hause Winter,
Winter, Winter und nochmals Winter heißen. Den Trick kennen wir. Sich als Winteropfer
einschleichen, und dann: zappzarapp! Wie oft hatten wir das schon: Man lernt
sich kennen beim Interview - und kann drauf warten, sich irgendwann auf dem
Polizeirevier wiederzusehen, denn auch dort verdient der Dolmetsch sein Brot.
Nanu, wen haben wir denn da? Alte Bekannte! Beim Diebstahl ertappt. Dann geht
das Scheingeplänkel wieder los: Nein, den Direktor vom Migros-Markt haben wir
nicht gebissen am Kassenausgang, und wenn doch, dann nur, weil der uns gewürgt
hat... Nun gut, zurück zu unseren Hammeln, wie der Franzose sagt. Seht euch
doch mal an! Schon grauhaarig, und immer noch auf der Flucht! Wo habt ihr euern
Pass? Das wisst ihr nicht? Aber wir wissen es: im Schließfach am Bahnhof. Oder
im Flüchtlingsheim beim netten Nachbarn, der war schon vor euch hier. Ihr
lasst euch auf euern ausgedachten Namen mit Spesen ausstatten, inklusive
Genehmigung zur Nutzung von Postpferden zu amtlichem Behufe, und anschließend
spaziert ihr hier raus und holt als Erstes eure Pässe wieder. Stimmt's? Und
wenn ihr euch eingerichtet habt im warmen Nest, geht's auf Tour: Geklaut wird,
was zu klauen geht, und das Geklaute billig weiterverhökert. An langen Fingern
bleibt viel kleben. Dem lieben Gott die Zeit stehlen und den Leuten das
Portemonnaie. In der Not klaut der Teufel das Weihwasserbecken. Und erzählt uns
nur nix von wegen Arbeit! Auf euereins hat man gerade gewartet! Hier gibt's
auch ohne euch genug Arbeitsuchende. Viele sind berufen, ihr Deppen, und
wenige auserwählt. Bei uns in den Geschäften klaut ihr, auf euern Flohmärkten
schlagt ihr's los - das ist eure ganze Arbeit. Diebstahlsicherungen? Ach was.
Sagt bloß, ihr wisst nicht, wie man Taschen präpariert? Ganz einfach: Man nehme
Aluminiumfolie und klebe sie innen an, dann entsteht etwas wie eine
Reflexionshülle, und kein Alarm wird ausgelöst. Du kannst raustragen, so viel
du lustig bist. Und verschickst es an deine Leute. Wie? Na, zum Beispiel mit
der Post. Man kann ja Geschenksendung draufschreiben, Gebrauchtwaren oder
sonst einen Quatsch. Wichtig ist vor allem der Absender. Da sucht man sich im
Telefonbuch eine möglichst ehrenwerte Adresse, am besten gleich irgendeinen
Wohltätigkeitsverein. Dann kommt niemand auf falsche Gedanken. Alles klar? Was
soll das heißen: geht schief? Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! Ihr wäret
nicht die Ersten und nicht die Letzten! Also sagt gefälligst die Wahrheit und
nichts als die Wahrheit! Und denkt daran, euern Geschichten, die einem das Blut
in den Adern gefrieren lassen, glaubt schon lange keiner mehr, das Leben
besteht doch wohl auch noch aus Liebe und Schönheit, ich schlafe, aber mein
Herz wacht, da ist die Stimme meines Freundes, der anklopft: Tu mir auf, liebe
Freundin, meine Schwester, meine Taube, meine Fromme!, denn mein Haupt ist voll
Tau und meine Locken voll Nachttropfen. »Fühlen Sie sich über Ihre Rechte und
Pflichten ausreichend in Kenntnis gesetzt wie auch darüber, dass ins Paradies
sowieso keiner vorgelassen wird?« - GS: »Ja.« - Petrus nimmt dem Dolmetsch das
Blatt mit dem Begrüßungstext wieder ab. »Noch Fragen?« GS: »Mögen die Sprecher
fiktiv sein, das Gesagte ist wahrhaftig. Wahrheit gibt es nur dort, wo es etwas
zu verbergen gibt. Gut, die Leute sind vielleicht nicht echt, aber die
Geschichten sind es! Wenn sie im Kinderheim nicht den mit den aufgeworfenen
Lippen vergewaltigt haben, dann einen anderen! Und die Story von dem
verbrannten Bruder und der getöteten Mutter hat der junge Litauer irgendwo
aufgeschnappt. Ist es wichtig, wem genau sie passiert ist? Sie bleibt
authentisch, so oder so. Leute sind hier nebensächlich, es geht um die
Geschichten, die entweder echt oder unecht sind. Man muss eine echte Geschichte
erzählen, das ist es. So wie sie sich abgespielt hat. Nichts dazuerfinden. Wir
sind, was wir sagen. Ein frisch gehobeltes Schicksal ist wie eine Arche,
prallvoll mit Menschen, die keiner haben will. Alles Übrige ist die Sintflut.
Was im Protokoll über uns steht, das werden wir sein. Aus Worten geboren.
Verstehen Sie doch: Gottes Idee eines Flusses ist der Fluss.« - Petrus: »Dann
kommen wir jetzt zur Sache.« Und los geht's mit Frage,

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