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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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ebenfalls Armageddon-Zeug. Also müssen wir den gleichen Scheißmist haben wie sie. Wir müssen alles machen, was die tun können. Das heißt Atomkrieg, Soldat; weil sonst nämlich, sonst verstehen wir uns nicht ... Und jetzt: Schieß! «
    »Schieß!« blökte Lindsay. Es tat sich nichts. Die Kanone blieb stumm.
    »Da stimmt was nicht«, sagte Lindsay.
    »Geschütz runter?«
    »Nein, es ist mein Arm. Mein Arm!« Er wich zurück. »Ich krieg ihn nicht vom Feuergriff weg. Die Muskeln haben sich verkrampft.«
    »Sie haben - was? « sagte der Präsident und packte Lindsay am Unterarm. Dort waren die Muskeln wie Stromkabel hervorgetreten; wie in einem paralytischen Krampf erstarrt.
    »Oh, mein Gott«, sagte Lindsay mit einem langgeübten hysterischen Schrillen in der Stimme. »Ich spüre deine Hand nicht. Drück mal den Arm!«
    Der Präsident zerquetschte ihm den Unterarm mit der Kraft eines Schraubstocks. »Nichts. Ich spüre nichts«, sagte Lindsay. Er hatte sich in seinem Raumanzug den Arm mit Anästhetika vollgepumpt. Und die Verkrampfung war ein Diplomatentrick. Gar nicht leicht, übrigens. Er hatte eigentlich nicht beabsichtigt, daß sich seine Finger um den Abschußgriff verkrampfen sollten.
    Der Präsident bohrte seine schwieligen Fingerkuppen in die äußere Vertiefung an Lindsays Ellbogen. Und trotz des Anästhetikums und darüber hinaus schoß der Schmerz ihm scharf durch die gequetschten Nervenleitbahnen. Seine Hand hüpfte merklich ein Stückchen hoch, sein Griff löste sich. »Das hab ich gespürt, ein bißchen jedenfalls«, sagte er ruhig. Da war doch etwas, was er mit dem Schmerz anfangen konnte, wenn ihm nur das Vasopressin dabei helfen würde, sich zu erinnern ... Ja, das war es. Der Schmerz verwandelte sich, verlor seine Schmerzfarbe, wurde etwas, das sich der Lust auf ekelhafte Weise annäherte.
    »Ich könnte es ja mal mit der linken Hand versuchen«, sagte Lindsay tapfer. »Bloß, wenn dann der Arm auch Mist baut...«
    »Was, verdammt noch mal, stimmt mit dir nicht, Außenminister?« Der Präsident grub den Daumen brutal in das Nervenbündel an Lindsays Handgelenk. Lindsay verspürte den Schmerz wie eine kühle schwarze Decke, die sich über sein Hirn breitete. Beinahe verlor er das Bewußtsein; seine Lider flatterten, und er lächelte unschlüssig.
    »Das muß irgend so eine Shaper-Sache sein«, sagte er. »Neuroprogrammierung. Die haben das so gedreht, daß ich so was nie machen kann.« Er schluckte heftig. »Das ist, wie wenn das gar nicht mein Arm wäre.« Schweiß perlte ihm über die Stirn. Er war dermaßen dick auf das Vasopressin abgefahren, daß er jeden einzelnen Gesichtsmuskel als unabhängige einzelne Wesenheit spüren konnte, ganz genau so, wie sie dies in der Akademie lehrten.
    »Das kann ich nicht durchgehen lassen«, sagte der Präsident fest. »Wenn du nicht abziehen kannst, dann kannst du auch nicht einer von uns sein.«
    »Vielleicht ist es möglich, irgend'nen Apparat zu konstruieren«, sagte Lindsay geschickt. »Irgend so eine Art Kolbenhandschuh, den ich drübertun könnte. Ich bin durchaus bereit und willens, Sir. Aber das da will nicht.« Er hob aus der Schulter heraus steif den Arm und hämmerte dann fest auf die scharfkantige Kanone. Und noch einmal. »Ich spüre gar nichts.« Haut platzte auf über dem Muskelfleisch. Hellrote Mikrokügelchen von Blut spritzten hoch und schwebten in der Luft. Der Arm blieb starr. Aus dem langen Riß quoll ein flaches amöbenhaftes Blutgerinnsel.
    »Wir können nicht den Arm eines Menschen wegen Landesverrat vor Gericht bringen«, sagte der Präsident.
    Lindsay zuckte einseitig die Achseln. »Ich gebe mir die allergrößte Mühe, Sir.« Er wußte, er würde niemals diesen Abzug bedienen. Er überlegte sich, daß sie ihn möglicherweise deswegen umbringen würden, aber er hoffte, dem entkommen zu können. Das Leben war wichtig, gewiß, aber nicht so entscheidend wie dieser Geschützabzug.
    »Wir wollen mal hören, was Richter-2 sagt«, erklärte der Präsident.
    Lindsay war bereit. Bisher war alles nach Plan verlaufen.
    Die Zweite Richterin schlief in der Krankenstation. Sie erwachte abrupt und mit wildzuckenden Augen. Sie sah das Blut an Lindsay, dann starrte sie den Präsidenten an. »Du Scheißer, du hast ihn schon wieder verletzt.«
    »Ich nicht«, sagte der Präsident, und er war leicht bestürzt und klang ein wenig schuldbewußt. Dann erklärte er, während Richter-2 den verletzten Arm untersuchte und verband. »Könnte ja was

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