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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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sehen? Vielleicht redet sie 'nen Takt mit uns.«
    »Wir wär's mit dem Mars?« schlug Lindsay vor.
    »Fällt flach. Steht in Opposition. Wir können es mit ein paar Asteroiden probieren. Werd mal die Ekliptik durchchecken.« Momentane Wortstille, nur erfüllt von dem gedämpften musikalischen Brummen der Kommandozentrale, während die Sterne vorbeirollten. Lindsay machte sein haragei und verspürte dabei die Drehbewegungen der Roboterdrohne wie eine glattgleitende Bewegung um seinen persönlichen Schwerkraftkernpunkt herum. Jetzt machte sich die erbarmungslose fortgesetzte Ausbildung bezahlt; er empfand sich als gefestigt, als sicher und war voll Selbstvertrauen. Er atmete aus der Magengrube herauf.
    »Da, da habe ich einen«, sagte der Rep. Im Gesichtsfeld rückte eine ferne Lichtnadelspitze ins Zentrum und schwoll zu einem verschmierten Fleck auf. Als das Ding scheinbar fingerlang war, fransten die Kanten aus und wurden unscharf. Der Rep haute die Computerauflösung darüber, und das Bild wuchs sich zu einem wurstförmigen Zylinder aus, der in unwirklichen grellen Data-Bits-Farben erstrahlte.
    »Das ist ein Köder«, sagte der Rep.
    »Ach, meinst du?«
    »Klar. Die kenn ich. Shaperkonstruktion. Bloß 'ne polymerisierte Haut, nur ein Ballon. Luftdicht, das schon. Möglich, daß da wer drinsteckt.«
    »Ich hab noch nie so was gesehen«, sagte Lindsay.
    »Ach, die gibt's zu Tausenden.« Das entsprach der Wahrheit. Shaperische Billigproduzenten in den Asteroidengürteln hatten patentwidrig diese Lockenten seit Jahren hergestellt. Die Polymerhüllen waren groß genug, darin einen kleinen Außenposten von Datenspionen, Drohnen-Hijackern oder Überläufern unterzubringen. Künftige Sundogs der Mech-Welt konnten sich dort vor den Schnüfflern der Polizeiorganisationen verstecken; ebenso konnten aber auch shaperische Code-Spezialisten sich unter ihnen eingeschmuggelt haben, um die Informationsflüsse innerhalb des Kartells anzuzapfen.
    Dahinter steckte eine Strategie, die darauf abzielte, die DetektorSysteme der Mechs durch einen dicken Schwarm potentieller Verstecke zu überlasten. Die Shapers hatten im Ringen um die Macht über den Gürtel beachtliche Anfangserfolge erzielt, und es bestanden noch immer vereinzelte Gruppen von Shaper-Agenten, die sich hinter den Verteidigungsbastionen der Mechs von Zelle zu Zelle bewegten, während der Ring Council unter Belagerung stand. Viele dieser »Lockenten«-Köder waren mit Propaganda-Sendern ausgerüstet, oder mit Apparaten zum Aufspüren von Sonnenwinden, die ihre Bahn verändern hätten können; manche davon konnten wiederholt schrumpfen und sich wieder ausdehnen, so daß sie den Mech-Radarsonden entschlüpfen konnten. Und: es war viel billiger, sie herzustellen, als sie aufzuspüren und zu vernichten, wodurch die Shapers natürlich finanziell im Vorteil waren.
    Der Außenposten, den die Red Consensus anlaufen sollte, war eine dieser Produktionszentralen.
    »Wenn grad mal Frieden ist«, erklärte der Rep Lindsay, »besorgst du dir ein Dutzend von den Dingern, klebst sie mit Schlauchverbindungen aneinander, und du hast 'ne prima billige NationalStation.«
    »Ja. Aber wird es jemals Frieden geben?« fragte Lindsay.
    Die Bordwände summten, während die Red Consensus die Leine einholte. »Wenn die Aliens da sind«, sagte der Volksvertreter.
     
    AN BORD DER ›RED CONSENSUS‹: 30-11-'16
     
    Sie hatten in der Turnhalle gearbeitet. »So, das reicht für heute«, sagte der Präsident. »Ihr macht mir alle einen guten Eindruck. Sogar der Außenminister hat die Grundprinzipien begriffen.«
    Die drei Volksrepräsentanten lachten, während sie sich die Kopfhelme abnahmen. Lindsay ließ das Siegel knallen und zog sich den Anzugshelm über den Kopf. Das Kampftraining hatte länger gedauert, als er erwartet hatte. Den Inhalertampon hatte er in seinem Anzug versteckt; er hatte ihn mit Vasopressin getränkt. Er wußte, was ihm als nächstes bevorstand, und er war sich völlig darüber im klaren, daß er nun sämtliche Finessen seiner Ausbildung in raffiniertester Form würde ausspielen müssen. Doch die Dünste waren kräftiger gewesen, als ihm bewußt geworden war; er war ein wenig benommen, und der Druck in seiner Harnblase war stark und fast schmerzhaft.
    »Du bist so rot im Gesicht, Außenminister«, sagte der Präsident. »Doch nicht etwa außer Atem?«
    »Es ist nur die Luft im Anzug, Exzellenz«, log Lindsay. Seine Worte hallten für ihn selbst viel zu laut. »Der Sauerstoff, Sir.«

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