Schiwas feuriger Atem
wenig bekannten Kosmonauten neugierig musternd. Selbst für einen Raumfahrer war er klein; und er hatte ein ganz gewöhnliches Gesicht, blaß und unauffällig. Ein Bauerngesicht, dachte Lisa, ganz anders als Zaborowskijs Bärenschnauze oder die leicht patrizierhafte Fassade der Nissen. Und doch war er der große Weltraumheld Rußlands, der Retter des Prastranstwo Gotup, der einzige Überlebende der Bruchlandung der Gromyko auf dem Mond, der Kosmonaut mit den meisten »Erstlandungen« in den letzten zehn Jahren. Daß die Amerikaner ihn anstarrten, schien ihn nicht zu beeindrucken; er starrte mit gleichgültiger Miene zurück.
»Und Sie alle kennen Commander Roberts von der Royal Air Force. Und Colonel Mezières von der französischen Luftwaffe.«
Der große schlanke Brite nickte. Der schmächtige Franzose verbeugte sich leicht und verbindlich.
»Wir sind ein internationales Team«, betonte Jagens unnötigerweise, »und repräsentieren die Belange der ganzen Welt. Ich werde nunmehr unseren russischen Kollegen die amerikanischen Teams vorstellen.« Raschen Schrittes ging Jagens an der einen Seite hinauf, an der anderen zurück und nannte Namen, Rang und Truppenteil jedes Astronauten. Die Russen folgten der Vorstellung sehr aufmerksam, und Lisa kam sich vor, als würde sie irgendwie für irgendeine Geheimakte photographiert.
»Nun zum Dienstlichen«, sagte Carl. »Wir sind hier, um für jedes Team einen Kommandanten und einen Vizekommandanten zu wählen. Colonel Zaborowskij, Sie sind dem Omega-Team zugeteilt.« Er deutete zu Lisas Gruppe. »Major Nissen, Colonel Menschow – mein Team.«
Diego schnob ärgerlich durch die Nase bei diesen anmaßenden Worten, was ihm einen kurzen Blick von Jagens einbrachte; doch die Russen standen auf und begaben sich wie angeordnet zu ihren Teams. Jedes Team bestand aus fünf Astronauten beziehungsweise Kosmonauten und der doppelten Zahl an Reservepiloten und Bodenpersonal.
Lisa musterte die unmittelbaren Angehörigen ihres Teams: außer ihr selbst waren es Zaborowskij, Julius Short – einer der wenigen schwarzen Astronauten –, Blaine Brennan und Nino Solari. Sie lächelte über die ostentative Rassen- und Völkermischung und sah dann zum Alpha-Team hinüber: Jagens, Diego, die beiden Russen und Ikko Issindo. Die Reserveteams waren politisch ebenso gemischt, doch sie mußte zugeben, daß keiner dabei war, der nicht zur Spitzenklasse gehörte. Ihr Selbstgefühl schwoll ein bißchen an, doch das unterdrückte sie schnell.
»Also, ich stimme für Lisa Bander«, sagte Blaine Brennan. Aus irgendeinem Grunde blickten alle auf den Russen, doch dessen Miene blieb ausdruckslos. Er erwiderte lediglich die Blicke, dann drehte er den Kopf und starrte Lisa an.
»Ich auch«, murmelte Nino Solari.
»Warum denn ich?« fragte Lisa mit echter Betroffenheit.
»Warum denn nicht?« sagte Brennan grinsend.
»Das ist nicht sehr logisch, Brennan«, entgegnete Lisa, doch der Ire grinste aufs neue und wandte sich an die Reservegruppe: »Habe ich recht oder nicht?« Mehrere grinsten ebenfalls und nickten.
»Sonst noch Nominierungen?« fragte Lisa rasch, doch keiner meldete sich. Sie sah Zaborowskij an: »Colonel?«
Der zuckte nur die Achseln. Brennan hob die Hand. »Wer ist für Lisa?«
Ale vier vom Omega-Team hoben die Hände, und Lisa schluckte. »Aber … aber …«
»Still«, sagte Brennan, »und jetzt der Vizekommandant?«
»Colonel Zaborowskij«, sagte Lisa rasch.
»Brennan«, sagte Solari. Sie sahen sich um. Andere Nennungen lagen nicht vor. »Schön«, sagte Lisa, »wer ist für Colonel Zaborowskij?«
Sie hob die Hand, Julius Short ebenfalls. Der Russe stimmte nicht mit.
»Wer für Brennan?« Solari hob die Hand, dann beugte er sich ostentativ herüber und zog Brennans Hand hoch. »He!« protestierte der Ire.
»Also, dann Vollabstimmung«, entschied Lisa und sah zum Reserveteam hinüber. Der Russe gewann mit knapper Mehrheit. Er nickte phlegmatisch, als Lisa ihm das Ergebnis verkündete. Dann wandten sie sich nach der Alpha-Gruppe um.
Issindo hatte Jagens, die Nissen hatte Menschow nominiert. Diego enthielt sich der Stimme, und es kam zur Vollabstimmung. Carl Jagens gewann mit großer Mehrheit, und mit überraschender Einmütigkeit wurde Diego zum Vizekommandanten gewählt. Die Gesichter der Russen blieben während der ganzen Prozedur ausdruckslos.
Jagens erhob sich, Vertrauen und Autorität ausstrahlend. »So. Das wär’s. Ich gebe die Resultate dann gleich der Presse bekannt.
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