Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schiwas feuriger Atem

Schiwas feuriger Atem

Titel: Schiwas feuriger Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford & William Rotsler
Vom Netzwerk:
Boston.«
     
     
     
    2. Mai: Kollision minus 24 Tage
     
    Toghrul Arslan hütete seine Schafe an den Ufern von El Furat in der Mittleren Türkei. Er war ein ruhiger Mann ohne Phantasie, mit seinem Hirtenberuf zufrieden und noch mehr mit dem Opium, das seine Frauen anbauten. Weder wußte er, noch kümmerte es ihn, daß der träge Fluß, an dem er entlangschritt, einst Euphrat geheißen hatte und daß seine Ufer die früheste Kultur der Menschheit gesehen hatten. Was vergangen war, war vergangen; was die Zukunft bringen würde, stand an ihrer Stirn geschrieben. Er wußte nichts von Schiwa, doch er hatte Gerüchte gehört über Kästen, die in der Luft herumflogen und Bilder einfingen.
    Zauberei, dachte er. Von Zauberei kommt nie was Gutes. Als Knabe hatte er am Feuer gesessen und den Geschichtenerzählern zugehört. Die sprachen oft von Wundern, so groß, daß sie nur auf Zauberei beruhen konnten, so großer Zauberei, daß sie nur böse sein konnte.
    Es wurde heißer. Langsam, mit gesenkten Köpfen, trippelten die Schafe vorwärts. Ein warmer Wind kam aus der Syrischen Wüste und brach sich weit hinten am Ost-Taurus. Toghrul setzte sich in den Schatten eines Felsblocks, und die Lider wurden ihm schwer.
    Heute würden wieder eine Anzahl neuer Bälle eingedickten Roh-Opiums zum Verkauf und Verbrauch bereit sein. Seine dritte Frau war verhältnismäßig neu, noch geschmeidig und feucht. Seine beiden Söhne wurden groß und stark. Er war reich und zufrieden.
    Der Meteor zerriß den Himmel mit donnerndem Krachen. Das Blöken der Schafe und sein eigener Schrei gingen im Donner unter. Im Osten ein blauweißer Lichtblitz. Dann nichts mehr.
    Blinzelnd starrte Toghrul Arslan in die Luft. Was war das für ein Ding? Die Ohren sausten ihm; sein rasches Hirtenauge sah Schafe am Boden liegen, andere schwankend im Kreise laufen. Mühsam stand er auf und vernahm das tiefe Grollen. Der Boden bebte und wurde ihm unter den Füßen fortgerissen. Felsbrocken prasselten den Hang hinunter. Er sah Blut im Grase, dann drehte sich die Welt nach oben, und er fiel, rollte weg, klammerte sich verzweifelt an die graugrünen Grasbüschel. Das Erdbeben hörte nicht auf. Der Donner war ohrbetäubend, doch der Schrecken noch um ein vieles beängstigender.
    Nie wieder würde die Erde für Toghrul Arslan etwas Festes und Ewiges sein. Die Erdbeben seiner Jugend waren nichts im Vergleich zu diesem. Er dachte an seine dritte Frau, dort unten in der Hütte aus mörtellosen Steinen, und er weinte um sie.
     
    Lily St. Germain streckte die ringgeschmückte Hand aus und winkte mit dem leeren Champagnerglas. Sofort griff José Villareal mit seinem Strahlendweißesten Lächeln nach der Flasche. Der Wind von Minorca her kräuselte die Seide des kleinen überdachten Gartenhauses. Der gutaussehende junge Maler goß ihr das prickelnde Getränk ein und stellte die Flasche in den mit knirschenden Eisstückchen gefüllten Kühler zurück; dann ergriff er ihre andere Hand. Sehr zart und doch voller Leidenschaft küßte er das feine Netz der Fältchen und hob seine großen Augen zu den ihren.
    Doch ihr Blick war verschwommen, und José fluchte innerlich: kaum Mittag, und sie war schon borracho. Nicht der richtige Tag, um sie zu fragen, ob sie den wunderbaren neuen Lancia mit Alkoholmotor kaufen wollte. Allein die Luxussteuer für dieses Monstrum betrug mehr, als er in einem Jahr mit seinen trübseligen Bildern verdiente. Doch keiner dieser Gedanken war seinem hübschen Gesicht abzulesen. Es behielt den Ausdruck immerwährender, stillglühender Leidenschaft. Der stand ihm am besten.
    Lily nippte an ihrem Sekt, löste ihre Hand langsam aus Josés Griff und langte nach einer Pflaume. Da wurden ihre Augen auf einmal ganz weit.
    Betroffen von ihrer veränderten Miene blickte José ebenfalls aufs Meer hinaus. Über den nahen Dächern Mallorcas sah er einen Streifen weißglühenden Lichts, dann blühte die Helligkeit noch stärker auf. Ein mächtiger, erst bläulichweißer, dann grauweißer, dann rotgelber Ball wuchs über dem nördlichen Horizont empor.
    »Jesus Maria! Was war das?«
    Lily St. Germains Lider flatterten, ihr vernebelter Geist bemühte sich zu fassen, was das bedeutete – aber das konnte doch nicht wahr sein! Hier würde doch kein Meteor einschlagen, hier auf Mallorca doch bestimmt nicht!
    Sie starrte auf die hochsteigende Dampfwolke und fühlte, wie Josés Finger sich in ihren Arm bohrten. »Sieh doch nur! Mutter Gottes – sieh doch!« Draußen am Horizont,

Weitere Kostenlose Bücher