Schiwas feuriger Atem
römisch-katholisch, wissen Sie. Wir sind nicht für diesen Schiwa-Quatsch. Bischof McCarthy sagt, der Papst betet für euch und eure Arbeit.«
»Ja, ich weiß.« Sie hatte die Tür ein Stück geöffnet und spürte den kalten Wind. »Nun – dann also bis morgen, Archie, ja?«
»Okay, Miss Weinberg.« Er winkte ihr zu und blickte ihr nach, bis sie außer Sicht war. In den Fensterscheiben, die bei der früh einsetzenden Dunkelheit als Spiegel wirkten, sah er, daß bei den Nationalgardisten eine Zigarette herumging. Wo steckt der Offizier, fragte er sich ärgerlich. Fünf Minuten allein, und sie machen lauter Blödsinn. Ihr Glimmstengel bot ein prachtvolles Ziel.
»He – laßt das sein, ihr Schafsköpfe!«
»Ach, scheiß dich aus!« erwiderte einer grob.
»Mensch, ich wünschte, ich könnte mal bei den Tänzern mitmachen«, meinte ein zweiter.
»Jawoll«, stimmte ein dritter grinsend zu. »Mann, das war ein Spaß, was? Weißt du noch, die kleine Blonde – nein, rothaarig war sie –, die gesagt hat, wir krepieren doch alle, und zwei Sachen hätte sie noch nicht ausprobiert?« Er stieß ein brüllendes Gelächter aus, das in der kalten Halle widerklang.
»Na, warum denn nicht, he?« sagte einer und griff nach der Zigarette.
»Warum was nicht?«
»Warum …« Er tat einen Zug, hielt den Rauch an, machte ein komisches Gesicht, stieß den Rauch aus und gab die Zigarette weiter. »Warum gehen wir nicht mal ein bißchen in den Park, hm?«
»Da kampieren sie heute, nicht wahr?«
»Nee, Mann, viel zu kalt. Sie stecken in den Hotels da unten, in den leerstehenden, weißte.«
»Jawoll, jawoll!« schrie einer und versuchte, durch die spiegelnden Scheiben hinauszuschauen. »Aber der Leutnant?«
»Ach, scheiß auf den Leutnant.«
»Aber wenn sie …«
»Was denn? Wenn sie uns in Arrest stecken? Einen Dreck können sie uns. Wo lebt ihr denn? Guckst du nicht in die Röhre, Mann? Wir kriegen diesen gottverdammten Schiwa direkt auf den Nischel, Mann. Schluß, aus. Keine Nachsaison, keine zweite Ausgabe – nix.«
Grinsend stand einer auf. »Na, dann gehen wir doch mal hin und sehen uns an, ob diese Tänzer wirklich so wild sind – hä?«
Die anderen rappelten sich hoch. »Verflucht und verdammt!« brüllte einer.
»He, ihr Schafsköpfe – ihr könnt doch nicht einfach abhauen«, rief Archie beschwörend hinter seinem Kontrolltisch und sprang auf.
»Warum, denn nicht? Willst du uns etwas festhalten?«
Archie faßte nach seinem 38er Python, hielt dann aber inne. Es hatte keinen Zweck. »Laßt aber eure Gewehre hier!«
»Die Gewehre hierlassen – so siehst du aus!« sagte einer und nahm seine Waffe. »Vier Querstraßen weiter ist ein Schnapsladen. Da gibt’s immer noch was zu saufen, weil die Nationalgarde …« – er sagte es ganz laut und lachte dabei – »… die große und edle Nationalgarde des Staates Massachusetts praktisch vor der Türe liegt.«
»Und was haben wir davon?« fragte einer und hing sein Gewehr um. »Wir sind doch in Uniform, wa’? Da haben sie doch keinen Verdacht. Wir nehmen soviel mit, wie wir tragen können, und gehen damit zum Park.!«
»Hei!« brüllte einer. Verächtlich stießen sie Archie beiseite und traten in den Abendwind hinaus – halbe Knaben in grünen Uniformen, lachend und sich schubsend.
Archie sah ihnen nach, und eine große Müdigkeit überkam ihn. Auch sie hatten Angst. Er ging ans Telefon. Fünfzehn Minuten brauchte er, um zum Kommando der Nationalgarden durchzukommen. Er meldete die Desertion der vier und fügte hinzu: »Schickt mir aber keine solchen grünen Bengels als Ersatz! Das ist hier eine hochwichtige NASA-Anlage, verstanden?«
»Wir haben praktisch nur noch Grünzeug«, entgegnete der Offizier. »Wir sind verdammt dünn besetzt, aber wir schicken Ersatz. Könnt ihr sie verpflegen?«
»Glaube schon. Aber was ist denn mit eurer Küche?«
»Die Nachschubkolonne ist nicht angekommen. Sind vielleicht in Worcester falsch abgebogen. Oder sie haben sich dünngemacht.«
»Wir haben noch was in der Cafeteria, glaube ich.«
»Also bis gleich. Wir schicken ein paar Mann.«
Archie begab sich an die hintere Wand der Halle und legte seinen Revolver griffbereit in den Schoß. Dann fiel ihm ein, daß er die Tür abschließen mußte. Er stand wieder auf und tat es. Dann blickte er auf die Bildschirme der Überwachungsmonitoren neben seinem Tisch. Alles war ruhig, nur auf dem einen der Schirme sah er einen Mann im weißen Kittel den Flur entlanggehen. Und draußen
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