Schiwas feuriger Atem
herauskommen.
Diego war auf nichts gefaßt. Die Explosion warf ihn aus seinem Liegesitz und schleuderte ihn gegen das metallene Schott. Wild taumelte die Kapsel in der Druckwelle. Diegos Arm schlug gegen das Geschoß-Kontrollbord, wobei er neun Schalthebel verriß und auf Handbetrieb umstellte, so daß die Verbindung zu Alpha I unterbrochen war. Diego wurde schwarz vor Augen, doch der Schmerz durchzuckte ihn brennend rot. Er hatte sich den Arm gebrochen.
Jagens blinzelte ungläubig, als neun Kontrollampen erloschen. Er fluchte auf den Computer, doch er konnte machen, was er wollte – sie leuchteten nicht wieder auf. Unmöglich konnten doch alle neun Geschosse zugleich detoniert oder durch die Explosion des ersten zerstört sein! Sie waren viel zu weit weg, viel zu fest in Redundanzen gewickelt. Sie waren nicht zerstört, dachte er, sie waren abgeschaltet!
Jemand ist dort draußen noch am Leben, ein anderer!
Alpha II, dieser verdammte Calderon! Der hat meine Raketen geklaut, dachte Jagens voller Wut. »Dieser Bastard!« knirschte er, »dieser mexikanische Bastard!«
Blieben also ein Dutzend. Zwölf zwanzig Megatonnen. Vielleicht reichte das. Er hatte keine Idee, wieviel Abweichung beim erstenmal, bei der Detonation Bolschois erreicht worden war. Etwas gewiß, aber nicht viel. Vielleicht wäre es mit einem weiteren Stoß zu schaffen.
Er machte sich wieder ran die Programmierung von zwölf Geschossen, alle auf ein Ziel gerichtet, alle im Abstand von einer Millisekunde oder so detonierend, auf dem richtigen Punkt des Asteroiden. Erwischte man diesen richtigen Punkt der Rotation, traf man ihn genau richtig, so konnte man die Rotation des Asteroiden so verstärken, daß Stoßwirkung eintrat.
Aber es war eine knappe Sache. Wenn ihm bloß nicht mehr der Kopf so dröhnen würde! Doch das konnte er ignorieren, solange das Programmieren dauerte. Helden haben es nie leicht.
»Warum hat er die kleine Rakete detoniert?« fragte Solari.
Lisa Bander zuckte die Achseln, ernst, nachdenklich und betroffen. »Vielleicht war es eine letzte überflüssige Geste, vielleicht wollte er einen Weg durch den Schwarm bahnen – was weiß ich.« Sie versuchte weiter, mit den anderen Schiffen Funkverbindung zu bekommen. »Alpha I, Alpha II, hier ist Omega I, bitte kommen! Alpha I, hören Sie mich? Bitte kommen!«
»Gib’s auf, Baby«, sagte Nino. »Die sind entweder tot, oder ihr Radio ist durchgeknallt.«
Sie seufzte, versuchte es aber weiter: »Alpha II, hier ist Omega I. Diego? Diego, hier ist Lisa. Komm bitte!«
»Omega I, hier Kontrolle Houston, bitte kommen!«
»Gehen Sie aus der Leitung, Houston, wir haben zu tun!«
»Omega II, hier Houston. Sind Sie…«
Eine andere Stimme mischte sich ein. »Lisa, hier ist Dink. Was ist passiert? Die OAO sagt, ihr habt Schiwa gebremst, aber nur beschissen wenig abgelenkt.«
Lisa lächelte trübe. »Wir – wissen nicht, was passiert ist, Dink. Ich glaube, bei Alpha I sind die Radios ausgefallen. Vielleicht lebt keiner mehr an Bord. Ich…« Sie riß sich zusammen und schloß die Augen. »Ich weiß nicht. Jetzt müssen wir eingreifen. Wir haben neunzehn Geschosse, mit denen wir Schiwa treffen können, und die kriegt er alle an den Kopf!«
»Colonel Bander, wenn Bolschoi keine ausreichende Ablenkung erreicht hat, werden Sie es mit Ihren Geschossen höchstwahrscheinlich auch nicht schaffen.« Lisa kannte die Stimme, konnte sie aber nicht identifizieren. Einer von den Wissenschaftlern.
»Wieder mit nach Hause bringen kann ich sie sowieso nicht«, antwortete sie leise, fast flüsternd. »Muß es wenigstens versuchen.«
Dink Lowell hatte sich wieder eingeschaltet. »Vielleicht zusammen mit den Alpha-Geschossen, wenn sie alle gleichzeitig auftreffen…«
»Prima, bloß ich kann Alpha nicht erreichen. Weder I noch II. Ich schalte jetzt ab. Ich muß versuchen, näher an das verdammte Ding heranzukommen.«
»Omega I…«
Sie schaltete die Erdfrequenz ab. Notfalls konnte sie ja wieder einschalten. Die Verbindung bestand. »Also rein!« sagte sie zu Nino Solari.
Schmerz.
Der Schmerz holte Diego aus der Schwärze zurück. Gleich bei der ersten Bewegung wurden die Schmerzen schlimmer, und er schrie auf. Er schwebte in der vollgestopften Kabine, ein Fuß war in irgendeinem Gerät eingeklemmt und hielt ihn fest. Sein Gesicht war eine Handbreit entfernt von Olga Nissens starrenden toten Augen.
Eine Welle von Übelkeit zwang Diego, sich zu krümmen, und der Schmerz beim Bewegen des Armes
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