Schlachthof 5
tot. So geht das.
Billy wußte nichts davon. Er träumte weiter und reiste in der Zeit und so fort. Das Krankenhaus war so überfüllt, daß Billy kein Zimmer für sich allein bekommen konnte. Er teilte ein Zimmer mit einem Geschichtsprofessor aus Harvard namens Copeland Rumfoord. Rumfoord konnte Billy nicht sehen, denn dieser war von weißen Leinwandschirmen und Gummirädern umgeben. Aber Rumfoord konnte Billy von Zeit zu Zeit mit sich selber reden hören.
Rumfoords linkes Bein war in einem Streckverband. Er hatte es sich beim Skilaufen gebrochen.
Er war siebzig Jahre alt, hatte aber den Körper und den Geist eines nur halb so alten Mannes. Er war auf der Hochzeitsreise mit seiner fünften Frau gewesen, als er sich das Bein brach. Sie hieß Lily. Lily war dreiundzwanzig.
Gerade um diese Zeit, als die arme Valencia für tot erklärt wurde, kam Lily mit dem Arm voll Büchern in Billys und Rumfoords Zimmer. Rumfoord hatte sie nach Boston geschickt,, damit sie sie holte. Er arbeitete an einer einbändigen Geschichte der amerikanischen Heeresluftwaffe im zweiten Weltkrieg. Die Bücher behandelten Bombenangriffe und Luftschlachten, die sich abgespielt hatten, bevor Lily auch nur geboren war.
»Geht ihr Jungens ohne mich weiter « , sagte Billy Pilgrim im Delirium, als die hübsche Lily hereinkam. Sie war ein Go-go-Girl gewesen, als Rumfoord sie sah und beschloß, sie zu seiner Frau zu machen. Sie war von der Hochschule vorzeitig abgegangen. Ihr Intelligenzquotient lag bei 103. »Er erschreckt mich « , flüsterte sie ihrem Mann über Billy Pilgrim zu.
»Er langweilt mich zum Verzweifeln! « antwortete Rumfoord brummig. »Er tut im Schlaf nichts anderes als aufstecken, sich ergeben, sich entschuldigen und bitten, daß man ihn in Frieden läßt. « Rumfoord war ein Generalmajor a.D. der Luftwaffenreserve, der offizielle Luftwaffenhistoriker, ein ordentlicher Professor, der Verfasser von sechsundzwanzig Büchern, ein Multimillionär seit seiner Geburt und einer der großen Regattasegler aller Zeiten. Sein populärstes Buch handelte vom Sex und von sportlicher Ertüchtigung für Männer über fünfundsechzig. Jetzt zitierte er Präsident Theodore Roosevelt, dem er in vieler Beziehung ähnelte: »Ich könnte einen besseren Mann aus einer Banane schnitzen. «
Eines der Dinge, die Frau Lily auf Rumfoords Bitte hin in Boston besorgen sollte, war ein Xeroxabzug der von Präsident Harry S. Truman an die Welt abgegebenen Erklärung, wonach eine Atombombe auf Hiroschima abgeworfen worden war. Rumfoord fragte sie nun, ob sie sie gelesen habe.
»Nein. « Sie konnte nicht sehr gut lesen, was einer der Gründe war, warum sie die Hochschule verlassen hatte.
Rumfoord forderte sie auf, sich hinzusetzen und das Truman-Schriftstück jetzt zu lesen. Er wußte nicht, daß sie sich mit dem Lesen schwer tat. Er wußte sehr wenig von ihr, außer daß sie einen weiteren öffentlichen Hinweis dafür lieferte, daß er ein Übermensch war.
Also setzte sich Lily und gab vor, die Truman Erklärung zu lesen, die lautete:
Vor sechzehn Stunden warf ein amerikanisches Flugzeug eine Bombe auf Hiroschima ab, einen wichtigen japanischen Armeestützpunkt. Diese Bombe hatte eine größere Energie als 20 000 Tonnen TNT. Ihre Explosionskraft war mehr als zweitausendmal stärker als die britische »Grand Slam « , die größte bisher in der Kriegführung angewandte Bombe.
Die Japaner begannen den Krieg aus der Luft in Pearl Harbor. Es ist ihnen vielfältig heimgezahlt worden. Und es ist noch nicht das Ende. Mit dieser Bombe haben wir unsere bewaffneten Streitkräfte um eine neue und umwälzende Zerstörungsmacht bereichert. In ihrer gegenwärtigen Form werden diese Bomben jetzt hergestellt und noch viel gewaltigere Formen entwickelt.
Es ist eine Atombombe. Es ist eine Nutzbarmachung der Fundamentalkraft des Universums. Die Kraft, aus der die Sonne ihre Energie bezieht, wurde gegen diejenigen Kräfte eingesetzt, die den Krieg in den Fernen Osten brachten.
Vor 1939 glaubten die Wissenschaftler fest daran, daß es theoretisch möglich sei, atomare Energie freizusetzen. Aber niemand kannte eine praktische Methode, dies auszuführen. Im Jahre 1942 jedoch wußten wir, daß die Deutschen fieberhaft bemüht waren, einen Weg zu finden, um durch Atomenergie all die anderen Kriegsmaschinen zu verstärken, mit denen sie die Welt zu versklaven hofften. Aber es gelang ihnen nicht. Wir könnten der Vorsehung dankbar sein, daß die Deutschen die V-1-
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