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Schlaf in himmlischer Ruh

Schlaf in himmlischer Ruh

Titel: Schlaf in himmlischer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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nicht verreisen.«
    »Unsinn! Jemmy würde das Herz brechen.«
    Shandy trat aufs Gaspedal und
konzentrierte sich darauf, den Flughafen zu erreichen, bevor Ames Gelegenheit
hatte, sich die Reise auszureden. Für den Flug aus Kalifornien waren sie wohl
schon zu spät.
    Tatsächlich war dem nicht so. Dieses
Flugzeug hatte Verspätung. Es stellte sich aber heraus, daß Tim die Abflugzeit
nicht richtig verstanden hatte. Er mußte wie wild am Ticketschalter vorbei und
zum Flugsteig geschleust werden, während Lautsprecher seinen Namen gellten.
Erst als Ames sicher in der Luft war, fiel Shandy ein, daß er vergessen hatte,
nach dem Namen der Frau zu fragen, die er abholen sollte.
    Er produzierte hektisch Einfälle wie
den, Jemmy anzurufen, als ein neuerliches Gellen der Lautsprecher eine Woge
ungeduldiger Freunde und Verwandter zu einem Flugsteig schickte, der weitab von
dem lag, wo man ihnen zu warten befohlen hatte. Shandy wogte mit dem Rest und
beschloß, einfach herumzuhängen, bis nur noch eine Frau übrig blieb, sich dann
vorzustellen und das beste zu hoffen.
    Es ging nicht ganz so glatt. Abreisende
Passagiere vermischten sich mit ankommenden. Er konnte auf keine Weise
feststellen, wer wer war. Schließlich schoß er versuchsweise einen Pfeil ab und
suchte sich eine ältere Frau mit einer roten Perücke und sechs Zoll hohen
Stöckelschuhen als wahrscheinlichste Anwärterin aus.
    »Eh, ich bin Professor Shandy vom
Balaclava College.«
    »Prima für dich. Zisch ab, Alter. Ich
hab’ geschlossen.«
    Er versuchte, genug Mut für einen
zweiten Versuch zusammenzuraffen, als eine sanfte Stimme irgendwo links von
seinem Schlüsselbein ertönte:
    »Entschuldigen Sie, ich glaube, ich
hörte Sie sagen, Sie seien Professor Shandy?«
    Die Sprecherin war eine kleine Frau von
etwa vierzig Jahren. Shandys erste Reaktion war, daß sie außerordentlich gut
zusammengebaut aussah. Ihr blaßblauer Mantel schmiegte sich ihrer kompakten
Figur an, als wäre er gern da. Ihr hellblauer Hut ließ genau die richtige Menge
blonder Locken sehen und bildete einen angenehmen Rahmen für einen
pfirsichblütenfarbenen Teint. Ihre Augen waren hinter einer dunklen Brille
versteckt, aber man durfte wohl annehmen, daß sie zum Kostüm paßten. Was er
sehen konnte, stand in delikater Harmonie zum runden Oval ihres Gesichts. Er
fühlte sich besser, weil er sie anschauen konnte. »Der bin ich«, sagte er
dankbar. »Ich soll hier eine angeheiratete Verwandte der verstorbenen Jemima Ames
abholen. Darf ich hoffen, daß Sie es sind?«
    »Ich bin Helen Marsh. Ich dachte,
Professor Ames käme. Ich hatte vor, ihn nach Fotos zu erkennen, die Jemmy mir
gezeigt hat.« Sie streckte eine kleine Hand aus.
    »Sie haben Ames um etwa zehn Minuten
verpaßt«, berichtete ihr Shandy. »Es gab eine Verwechslung mit den
Abflugzeiten, und sein Flugzeug ging, bevor Ihres ankam. Wir waren so
durcheinander, daß ich vergaß, ihn nach Ihrem Namen zu fragen. Der meine ist
Peter Shandy.«
    »Ach ja, der Rübezahl.« Das Erröten
stand Miss Marsh vortrefflich. »Entschuldigung. Jemmy hat mir so viel von Ihnen
und ihrem Vater und der Riesenrübe erzählt —«
    »Eigentlich handelt es sich um eine
Kohlrübe, Brassica napobrassica, im Unterschied zur, eh, gemeinen Rübe
oder Brassica rapa. Der Unterschied ist sehr interessant, wenn Sie, eh,
zufällig an solchen Sachen interessiert sind.«
    »Bestimmt ist er das. Haben Sie eine
Ahnung, wo ich mein Gepäck abholen soll?«
    »Hier entlang, glaube ich.«
    Shandy entschied sich für einen schier
endlosen Gang mit hellbraunen Terrazzofliesen, er fühlte sich erschöpft und
nutzlos. Seltsamerweise schien Helen Marsh seine Stimmung zu spüren.
    »Ich hoffe, Sie erzählen mir einmal von
den Brassicae.«
    Er blieb auf der Stelle stehen. »Sagten
Sie Brassicae ?«
    »Oh je, muß es Brassicidae heißen oder so etwas? Ich bin so dumm mit botanischen Bezeichnungen.«
    »Meine werte Dame, mich überwältigte
nur die Freude, ein einfaches lateinisches Substantiv in der korrekten
Pluralform zu hören. Es war wie ein vertrautes Gesicht in einem fremden Land.
Sie, eh, möchten nicht zufällig einen Happen essen oder einen Drink oder so
etwas?«
    »Im Flugzeug wurde ein sogenannter
Lunch serviert, aber ich würde zu einem kleinen Glas Sherry nicht nein sagen,
wenn Sie nicht bloß höflich sind.«
    »Es gibt Leute, die Ihnen sagen werden,
daß ich nie höflich bin. Wir haben eine längere Fahrt vor uns und vielleicht
ein halbe Stunde Wartezeit, bevor man

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