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Schlaf in himmlischer Ruh

Schlaf in himmlischer Ruh

Titel: Schlaf in himmlischer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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aufhört, auf Ihren Koffern
herumzuspringen. Ich dachte, wir könnten diese Zwischenzeit besser in dieser,
eh, Grotte verbringen, als am Gepäckschalter herumzustehen.«
    »Grotte ist ein hübsches Wort.« Miss
Marsh nahm ihre Sonnenbrille ab, was Shandys Hypothese bestätigte, daß ihre
Augen von einem besonders attraktiven Blau sein würden, und begleitete ihn mit
allen Anzeichen der Vorfreude in die düsteren Kavernen. Eine Kellnerin tauchte
aus dem verrauchten Rot-Schwarz auf wie eine von Persephones Kammerdienerinnen.
    »Sagten Sie Sherry?« fragte er seinen
Gast. »Trocken oder, eh, anderen?«
    »Amontillado, wenn sie ihn haben.«
    »Amontillado auf jeden Fall. Zwei
bitte, Miss. Ich nehme an, in Kalifornien trinkt jeder Sherry.«
    »Nein, rosa Chablis.«
    »Haben Sie sich deswegen entschlossen,
zurück in den Osten zu kommen?«
    »Unter anderem deswegen. Ich habe mich
nie angepaßt. Ich kann kein Yoga, im Kino werde ich schrecklich rot, und ich
glaube, daß zuviel Zitrusfrüchte den Körper übersäuern. Zumindest hat irgendwas
den meinen übersäuert.«
    Sie aß fünf Bröckchen altes Popcorn,
wie Shandy schweigend zählte, dann lachte sie. Sie hatte ein klares, kleines,
gurgelndes Lachen, das gut zu ihrem Lächeln paßte.
    »Hat Jemmy Ihnen erzählt, warum ich
gefeuert wurde?«
    »Ich habe nicht selbst mit Jemmy
gesprochen. Tim sagte nur, daß Sie Bibliothekarin sind, was ich eine
erfreuliche Nachricht fand, wenn ich so sagen darf. Eh — warum wurden Sie denn
gefeuert?«
    »Der Präsident des College, wo ich
arbeitete, brachte mir ein Manuskript und fragte mich, ob ich meinte, daß die
Universität es drucken solle. Ich schickte es mit einem Zettel zurück, ich
fände, die Arbeit sei ein Haufen pompöser Quatsch in unsäglichem Stil. Es
stellte sich heraus, daß er der Autor war. Wir hatten etwas, was man eine
Gegenüberstellung nennen könnte, nach der er sagte: >Vielleicht möchten Sie
nun Ihre Meinung ändern?< Ich nahm den Zettel und schrieb: >Der Autor ist
ein ungebildeter Windbeutel<, und deswegen mußte ich die Stadt verlassen.«
    Sie lachten beide und tranken ihren
Sherry in der behaglichen Wärme des Beisammenseins.
    Dann sagte Shandy: »Präsident Svenson
ist ein bemerkenswert intelligenter Mann. Ich hoffe, Sie begehen nicht den
Fehler, das, eh, zu übersehen.«
    »Würde ich das?«
    »Wahrscheinlich nicht, aber es hat
schon Leute gegeben. Die Folgen sind gewöhnlich katastrophal und manchmal
tödlich. Möchten Sie noch einen Sherry?«
    »Nein danke, ich glaube, man hat mein
Gepäck inzwischen ausgeladen.«
    Sie ordnete ihren Schal und nahm ihre
Handschuhe. Shandy zahlte und gab ein Trinkgeld, das ihm eine Rüge von Ben
Cadwall eingetragen hätte. Er genoß es, Helen Marsh zu einem Drink einzuladen.
Er genoß es sogar, sie über den Terrazzo zurückzugeleiten, wo zwei Koffer in
passendem Blau standen wie Waisen im Sturm.
    »Meine Güte, die waren pünktlich«,
sagte sie. »Nein, bitte, lassen Sie mich einen nehmen.«
    »Unsinn.«
    Shandy ergriff beide Taschen und
schaffte es, nicht zu stolpern. Es war ihm völlig klar, daß er angab und daß
solch ein Benehmen für einen Mann in seinem Alter albern war. Vielleicht könnte
er Miss Marsh später einmal eine Freude machen, indem er sich in seinem
Leopardenfell von Baum zu Baum schwänge. Er bedachte die Vorstellung und fand
sie nicht ganz ohne Reiz.
     
     
     

Neuntes
Kapitel
     
     
     
     
     
     
     
    W ir werden das letzte Stück zu Fuß gehen
müssen«, entschuldigte sich Shandy. »Autos können während der, eh,
Festlichkeiten den Crescent nicht befahren.«
    Helen Marsh wußte alles über die Große
Lichterwoche. Jemmy hatte ihr daheim in Kalifornien von den Höhepunkten
erzählt, und Shandy hatte während der Rückfahrt notgedrungen die Leerstellen
ausgefüllt, wobei er so viel von Jemimas angeblichem Unfall verlauten ließ, wie
die Nachbarn wußten. Er hielt es nicht für ratsam, ihr die Wahrheit zu sagen.
    Er gab allerdings seinen eigenen Anteil
bei der Herbeiführung der Tragödie zu. Zu seiner unaussprechlichen
Erleichterung lachte sie fast so herzlich, wie es Tim getan hatte, wenn auch in
etwas schicklicherer Manier, und sagte, sie hätte wahrscheinlich dasselbe
getan, wenn sie so klug gewesen wäre, darauf zu kommen. Als er den Kofferraum
öffnete, um ihr Gepäck herauszufischen, war Shandy in besserer Stimmung, als er
für möglich gehalten hatte.
    »Also, Sie werden diese beiden schweren
Kisten nicht diesen großen, steilen Berg

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