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Schlaf in himmlischer Ruh

Schlaf in himmlischer Ruh

Titel: Schlaf in himmlischer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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fühlte
er sich ohne definierbaren Grund schuldig. Er hatte Bens Frau, wenn er
überhaupt je an sie dachte, für eins der kleineren Übel seines Lebens gehalten.
Jetzt war sie ein Mensch in Schwierigkeiten. Wieviel von diesen Schwierigkeiten
war von seiner wütenden Reaktion gegen ihre und Jemimas jährliche Nörgelei
ausgelöst worden?

Achtzehntes Kapitel
     
     
     
     
     
     
     
    V on all den schwarzen Gedanken, die
Shandy durch den Kopf stoben, war der schwärzeste, daß Helen noch mindestens
anderthalb Stunden lang beschäftigt war. Am zweittraurigsten war die Tatsache,
daß, obwohl der präsidierende Genius tot war und die amtierende Vorsitzende
vielleicht gerade im Moment für einen Mord verhaftet wurde, den sie fast mit
Sicherheit nicht begangen hatte, die Geschäfte bei der Lichterwoche so lebhaft
liefen wie gewöhnlich.
    Der Hauptschalter für die Lichter — darunter,
o weh!, seine eigenen — war schon betätigt worden. Die Lebkuchenhäuschen hatten
ihre Sperrholzfassaden herabgelassen. Rot-grüne Wichtel tollten mit
Plakattafeln herum, die einen riesigen Marshmallow-Grill mit Musik von den
Eskimo-Kuchenmenschen, wer auch immer das war, ankündigten, Beginn um halb acht
auf dem unteren Spielfeld, Eintritt ein Dollar. Eine der Elfen hielt den
Professor an und versuchte, ihm ein Billett zu verkaufen. Schaudernd wandte er
sich hügelabwärts und suchte Zuflucht im Gebüsch der Enderbles.
    Es war seltsam, wie der dichte, mit
harschem Schnee verklebte Bewuchs ein Gefühl der Isolation vermittelte. Sogar
das Getöse, das er auf dem Crescent unerträglich fand, drang nur als Gemisch
fröhlicher Geräusche hierher.
    Es gab reichlich Eiben hier. Das
bedeutete natürlich nichts; Balaclava war überwuchert mit Eiben. Aber wenn jemand
die Nadeln völlig ungestört sammeln wollte, war dieser Platz sicherer als die
meisten anderen. Shandy trödelte den Weg entlang und versuchte, im letzten
Tageslicht zu erkennen, ob einer der Zweige Spuren zeigte, daß er beraubt
worden war. Er ging zu weit, und Adele Dysart erspähte ihn.
    »Peter!« schrillte sie aus einem
Fenster. »Gott sei Dank, daß du kommst. Ich sitze mit einer lausigen Erkältung
im Haus fest und könnte die Wände hochgehen. Eine Sekunde, ich mach’ die Tür
auf.«
    Shandy verlangte es weder nach Adeles
Erkältung noch nach ihrer Gesellschaft, aber bevor er sich eine taktvolle
Möglichkeit ausdenken konnte, ihr das beizubringen, hatte sie ihn schon
eingefangen und in das geführt, was die Dysarts hartnäckig ihre gute Stube
nannten.
    »Jetzt setzt du dich dahin und rührst
dich nicht. Ich werde dir einen Schuß von meiner speziellen Hustenmedizin
zubereiten.«
    »Nein, bitte nicht. Ich muß bald zu
einer Cocktailparty«, log er.
    Er hätte es besser wissen müssen. Sie
stieß auf ihn herab.
    »Wer gibt sie, und wieso bin ich nicht
eingeladen?«
    »Eh — es ist eigentlich keine Party,
nur ein paar Drinks mit, eh, einem Freund.«
    »Mit wem denn, zum Beispiel?«
    »Helen Marsh«, antwortete er
unglücklich.
    »Du meinst diese abgetakelte,
altjüngferliche Bibliothekarin, die du gestern abend in die Mensa mitgeschleppt
hast? Wer ist sie, eine arme Verwandte von den Ames? Wirklich, Peter, kriegst
du nichts Besseres? Was ist mit Susie passiert?«
    »Welche Susie? Oh, eh, Susie. Sie, eh,
ist sozusagen aus meinem Leben gedriftet.«
    Ein Erklärungsversuch, warum Helen bei
weitem die attraktivere der beiden war, wäre ebenso albern wie vergeblich
gewesen. Adele sah aus, um einen von Mrs. Lomax oft verwendeten schlagenden
Vergleich heranzuziehen, wie etwas, das die Katze hereingeschleppt hat. Ihre
Frisur war aufgegangen, und sie hatte keinen Versuch unternommen, das
entstandene Gestrüpp aus verfilztem Haar zu entwirren. Ihr Make-up mußte sie
vor mindestens einem Tag aufgelegt haben. Ihr Morgenmantel hätte eine Wäsche
vertragen können und ihr Hals desgleichen. Sie tupfte sich mit einem
Zellstoffbausch die Nase und nahm einen Schluck ihrer Privatmedizin. »Und was
bringt dich mitten aus deinem geselligen Treiben in diese Regionen?«
    Ihm fiel eine Erklärung ein, und er
brachte sie vor: »Ich habe versucht herauszufinden, wie Jemima, nachdem sie
eure Party verlassen hatte, durch dieses Gebüsch gekommen ist, ohne gesehen zu
werden.«
    Sie putzte sich erneut die Nase.
»Warum, um Gottes willen?«
    »Ich finde es seltsam. Mary Enderble
und Roger Jackman müssen zur gleichen Zeit, als sie von hier den Pfad betrat,
von der anderen Seite geradewegs auf den Anfang

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