Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika von Holdt
Vom Netzwerk:
Ladegerät.
    Das Telefon klingelte laut und schrill, und Máire wurde von Kälteschauern geschüttelt. Sie starrte das Handy an.
    Jetzt funktionierte es also!
    Sie griff danach und meldete sich leise: »Hallo?«
    Nichts.
    Es folgte eine längere unheilvolle Stille, und sie hielt den Atem an und horchte. Es war fast, als würden Regen, Sturm und ferner Donner ebenfalls den Atem anhalten. Angst stieg in ihr auf, aber sie nahm sich zusammen und wiederholte mit kräftigerer Stimme: »Hallo, wer ist denn da?«
    Dann legte sie die Hand über das Mikrofon und sah sich hilflos nach Bondurant um. Wieder hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Die Eichen wirkten finsterer und dichter als vorher. Bondurant war nirgends zu sehen.
    »Hallo?« Máire überlegte, wer sie angerufen haben könnte oder ob überhaupt jemand in der Leitung war. Vielleicht hatte sich nur jemand verwählt … oder …
    Sie ließ die Klappe zuschnappen, öffnete sie wieder und überprüfte den zuletzt empfangenen Anruf. Wie sie vermutet hatte – die Nummer wurde nicht angezeigt. Sie beschloss, Bondurant zu bitten, das zu untersuchen.
    Vielleicht hatte C.J. fliehen können? Máire wollte das gerne glauben, aber eine innere Stimme fragte, wie weit C.J. in dem Fall gekommen wäre.
    Nicht sehr weit.
    Máire griff nach der Tasche und den Schlüsseln und kehrte steif wie eine aufziehbare Spielzeugfigur zum Polizeiwagen zurück. C.J.s Schreie hallten noch immer in ihren Ohren. Jetzt sah sie auch den Schein von Bondurants Taschenlampe wieder. Es wirkte, als würde er eine Art Totenballett in der Dunkelheit aufführen. Sie stieg in den Wagen, trocknete sich das Gesicht und blickte in den sternenlosen Himmel hinauf.
    Guter Gott, hilf mir, hilf uns beiden.
    Die Sekunden verstrichen, aber sie widerstand dem Drang, auf die Uhr zu sehen. Das Gefühl der Machtlosigkeit war ein Echo der Vergangenheit, und obwohl sie sehr wohl wusste, dass sie alles getan hatte, was in ihrer Macht stand – den Umständen entsprechend –, wurde sie das Gefühl nicht los, dass trotz allem nichts mehr zu machen war, dass es einfach zu spät war.
    Sie starrte durch die Finsternis hindurch ins Dickicht. Die Angst hatte ihre kalte Hand um ihr Herz geschlossen, und sie fühlte sich leer, verlassen und verloren. Bondurant und Finch würden C.J. nicht finden. Andere waren ihnen zuvorgekommen, da war sie sich sicher.
    Ihre ungute Vorahnung bestätigte sich. Finch und Bondurant kamen eine Viertelstunde später allein zurück. Bondurant wandte sich ab und hielt ein paar Minuten inne. Seine dunkle Silhouette zeichnete sich vor dem düsteren Dickicht des Waldes ab. Dann öffnete er die Wagentür und sagte zu Máire: »Wir stellen die Geistersuche ein.«
    »Was meinen Sie mit Geistersuche?«, fragte Máire verblüfft. »Glauben Sie mir nicht?« Sie lachte hohl und warf einen Blick zu Finch, der in die Pfütze starrte, in die er getreten war. »Glauben Sie etwa, dass ich das erfinde?«
    Als niemand von ihnen antwortete, fragte sie: »Warum zum Teufel sollte ich das tun? … Antworten Sie mir!«
    »Sagen wir mal so, falls sie jemals hier gewesen ist, dann ist sie es jetzt auf jeden Fall nicht mehr«, stellte Bondurant fest. Sie hatten sich offenbar darauf eingeschossen, sie als hysterisch anzusehen.
    »Vielleicht ist sie auf einem fliegenden Teppich verschwunden.«
    »Ja, vielleicht ist sie zurück …«
    »Sie können sich Ihre sarkastischen Bemerkungen sparen. Sie war hier. Ganz sicher. Ich habe sie gesehen, und ich habe mit ihr gesprochen. Ich habe sie sogar getragen, in Gottes Namen!« Máire streckte ihre zitternden Hände aus. »Ich denke mir das nicht aus!« Sie sah in den Wald hinein, die Zweige der Bäume bewegten sich im Wind.
    »Hier gibt es leider nichts und niemanden, der bestätigen kann, dass sie hier gewesen ist.«
    »Vielleicht haben Sie einfach nicht gründlich genug nachgesehen. Wie wäre es denn mit einer Fahndung? Sie kann sich auch weitergeschleppt haben … sie kann in der Zeit sehr weit gekommen sein, die ich gebraucht habe, um … stellen Sie sich vor, wenn …«
    »Nach allem, was Sie erzählt haben, konnte sie kaum noch atmen … und jetzt schlagen Sie vor, sie könnte sich weitergeschleppt haben?«, unterbrach Bondurant sie.
    Leck mich am Arsch, dachte Máire, sagte jedoch nichts. Sie murmelte verbissen ein paar unverständliche Worte, schlug die Hände vors Gesicht und presste die Daumen an ihre Schläfen. Sie konnte nichts von alledem beweisen, was sie gesehen und

Weitere Kostenlose Bücher