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Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika von Holdt
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oder ihr sogar befehlen, es der Polizei zu überlassen. Máire versuchte nachzudenken. Worauf sie sich da einließ, war verrückt, das wusste sie, und das Eis, auf dem sie sich bewegte, war dünn, aber die Alternative war nicht besser.
    Sie behielt das Mobiltelefon in der Hand, dann beendete sie die Verbindung und ließ es irritiert in ihre Tasche gleiten. Sie musste ihre Recherchen ohne Bondurants Hilfe fortsetzen.
    Auf der Broughton Street entdeckte Máire eine gut sortierte Buchhandlung, wie sie sie suchte; eine, die auch Land- und Straßenkarten verkaufte. Sie kaufte Karten mit großem Maßstab: eine von Savannah und Garden City und eine von dem südwestlich von Garden City gelegenen Gebiet. Um auf der sicheren Seite zu sein, ging sie von einem Radius von zehn Kilometern aus und dafür brauchte sie beide Karten. Die Straßen waren unterteilt in asphaltierte Hauptstraßen, Landstraßen und Fahrwege. Außerdem kaufte sie Zirkel, Lineal, Radiergummi und eine Schachtel mit Bleistiften. Ein Stück weiter die Straße hinunter gab es ein Geschäft für Jagdzubehör, wo sie ein Zeiss-Fernglas, ein Springmesser – für alle Fälle – sowie eine Taschenlampe besorgte.
    Dann kehrte sie schnell zum Hotel zurück, wo sie die Karten auf dem Boden ihres Zimmers ausbreitete und sorgfältig studierte. Um Savannah und Garden City führten viele verschiedene Routen herum, alte Feldwege und Forststraßen. Máire musste sie alle überprüfen – das bedeutete mehrere Hundert Quadratkilometer. Hellsehen müsstest du können, sagte sie zu sich selbst und stieß einen langen Seufzer aus. Sie schüttelte den Kopf und rieb sich die Stirn. Aber wenn sie davon ausging, dass C.J. weder verrückt noch auf einem Trip gewesen war und dass sich alles so verhielt, wie sie gesagt hatte – nämlich dass sie gegen ihren Willen gefangen gehalten worden war und zwar unterirdisch –, dann musste der Ort, nach dem Máire suchte, mindestens ein Kriterium erfüllen: Er musste relativ isoliert liegen. Es könnte ein einsam gelegenes Ferienhaus, ein Hof, eine Plantage oder eine Ranch sein. Sie fuhr ihren Mac wieder hoch und rief die Liste der Bestattungsinstitute in Savannah und Garden City auf. Sie schaute alle durch und zeichnete die Standorte in ihre Karte ein. Alle waren in der Stadt. Ungläubig schüttelte Máire den Kopf. Diese Theorie war also haltlos. Wenn C.J. in Savannah oder Garden City eingesperrt gewesen war, wäre sie kaum aus der Stadt herausgelaufen, sondern hätte in der Nähe ihres Aufenthaltsortes Hilfe gesucht. Máire wandte sich wieder der Karte zu. Wo verdammt noch mal war sie hergekommen?
    Der Savannah River verlief Richtung Norden, von dort konnte C.J. also nicht gekommen sein, es sei denn, sie wäre geschwommen, wovon Máire nicht ausging, und Savannah lag östlich.
    Also würde Máire sich zunächst auf die Umgegend westlich und südlich von Savannah und Garden City konzentrieren. Auf der Karte legte sie den Kompass auf den Fahrweg, wo sie C.J. gefunden hatte, und schlug darum einen Kreis mit dem Zirkel, der einem Durchmesser von zehn Kilometern entsprach. Sie glaubte zwar nicht, dass C.J. so weit gelaufen war, aber es war besser sicherzugehen, als sich hinterher zu ärgern.
    Sie beugte sich wieder über die Karten. Südwärts gab es zwei Möglichkeiten. Nach etwa sechs Kilometern wurde die Hauptstraße von einem Fahrweg gekreuzt, der in nordsüdlicher Richtung verlief. Im Westen gab es ebenfalls zwei Fahrwege, nach drei beziehungsweise fünf Kilometern, die mehr oder weniger südlich verliefen.
    Máire spülte zwei Aspirin mit ein paar Schlucken Apfelsaft hinunter, packte die Karten zusammen, nahm sich zwei Flaschen Wasser aus der Minibar, das Fernglas und ihre Sonnenbrille.

13
     
    So etwas hatte Kommissar Bernard Delacroix in seinen zweiundzwanzig Jahren bei der Polizei von Atlanta noch nicht erlebt.
    Um zehn vor acht – mitten beim Frühstück – hatte ihn seine Dienststelle angerufen, und er war von Macon mit Blaulicht und Sirenen hergerast. Jetzt war er froh, dass er keine Zeit mehr hatte, um sein Frühstück zu beenden. Er ging über den Rasen, und die Journalisten und Reporter liefen hinterher, weil sie einen Kommentar wollten. Aber er eilte wortlos weiter.
    Der Himmel wurde rosafarben angestrahlt, und ein paar vereinzelte Kumuluswolken sahen wie Zuckerwatte aus. Aber in der Ferne grollte unheilvoll der Donner, und es wehte ein warmer Wind. Delacroix sah sich um. Hier war es wie im Paradies – von der Hölle aus

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