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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
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verdammt, du dummes, dummes Mädchen!«, beschimpfte ich mich mit der Stimme meiner Mutter. »Wie konntest du nur so dämlich sein? Hast du gar keinen Stolz? Keine Selbstachtung? Du bist vierzig Jahre alt, Herrgott noch mal. Hast du in der ganzen Zeit überhaupt nichts gelernt? Weißt du immer noch so wenig über Männer? Ha!« Ich lachte und ignorierte die unverhohlenen Blicke der anderen Autofahrer, als ich aufs Lenkrad schlug und unabsichtlich die Hupe traf. »Und nicht nur Männer. Du weißt gar nichts über irgendwen. Es gibt auf der ganzen Welt keinen schlechteren Menschenkenner als dich. Jemand muss bloß ein wenig freundlich sein und ein winziges bisschen Interesse zeigen, und schon würdest du alles für ihn tun. Du öffnest dein Haus und dein Herz.« Du machst die Beine breit, fuhr ich stumm fort, weil ich mich selbst in dem geschützten Raum meines Wagens schämte, die Worte laut auszusprechen. »Ein Mann lädt dich zu einem mickrigen Mittagessen ein, und du hörst die Hochzeitsglocken läuten. Du bist ein dummes, dummes Mädchen! Selber schuld, wenn man dich ausnutzt. Selber schuld, wenn du alles verlierst. Du bist einfach zu blöd zum Leben!«
    Du bist ein dummes, dummes Mädchen , hörte ich meine Mutter sagen.
    Ich dachte an das ungemachte Bett in Joshs Schlafzimmer. Hatte er mit Jan geschlafen, bevor sie Einkaufen gefahren war? Rochen die zerwühlten Laken noch nach Sex?
    »Du Idiot!«, brüllte ich, und die Worte prallten gegen die
Windschutzscheibe und schlugen mir ins Gesicht zurück. »So dumme Menschen wie du haben es nicht verdient zu leben.«
    Ich blickte in den Rückspiegel und sah die Augen meiner Mutter. Ich musste ihre Stimme gar nicht hören, um zu wissen, was sie dachte. Wie konntest du so etwas tun ? Ihre Augen brannten sich in meine, bis mein Blick so von Tränen verschleiert war, dass sie unsichtbar wurde. Doch wer brauchte die harsche Verurteilung meiner Mutter, wenn ich das schon selbst so gründlich erledigte?
    »Du bist ein dummes, dummes Mädchen«, wiederholte ich immer noch, als ich in meine Einfahrt einbog und in meiner Handtasche nach dem Hausschlüssel kramte. »Alles, was dir passiert, ist deine eigene Schuld.« Ich sah mich nach Lance’ weißem Lincoln um. »Kommt und holt mich«, rief ich auf die stille Straße hinaus, über der nach wie vor dunkle Regenwolken hingen. »Das Spiel ist aus. Ich gebe auf.«
    Doch mit einem kurzen Blick stellte ich fest, dass Lance’ Auto nirgends zu sehen war. Wahrscheinlich haben sie es um die Ecke geparkt, dachte ich und wischte mit dem Handballen die Tränen aus meinen verquollenen Augen, während ich zur Haustür rannte, wo ich den Schlüssel mehrmals ansetzen musste, bis ich das vertraute Klicken hörte und die Tür aufsprang.
    Auf meinem Weg ins Wohnzimmer stieß ich den Weihnachtsbaum beiseite, sodass er zunächst heftig in seinem Ständer schwankte und dann gegen die Wand taumelte. Christbaumschmuck regnete von den Zweigen und zerbarst in winzigen, silbernen und rosafarbenen Scherben auf dem Fußboden. »Ich hätte das dumme Ding schon vor Tagen rausschmeißen sollen.« Ich hätte gar nicht erst zulassen dürfen, dass er aufgestellt wurde. »Dumm, dumm, dumm!« Ich riss eine Hand voll Schleifen von den trockenen Ästen und trampelte darauf herum. Sich einzubilden, dass Alison mich je wirklich gemocht hatte. Zu glauben, dass ich Josh wirklich
am Herzen lag. »Warum sollte irgendwer dich wollen? Warum sollte irgendjemand dein Freund oder Liebhaber sein wollen?«
    Meine Mutter hatte Recht. Sie hatte immer Recht gehabt. Ich war nichts als ein dummes, dummes Mädchen. Alles, was mir passierte, war meine eigene Schuld.
    Wie konntest du so etwas tun , wollte meine Mutter wissen, die lautlos hinter mir auftauchte, als ich die Küche betrat.
    »Geh weg«, rief ich. »Bitte, geh weg. Lass mich in Ruhe. Du hast deinen Job gut gemacht. Ich brauche dich nicht mehr.«
    Die Vasensammlung meiner Mutter blickte höhnisch auf mich herab, durch ihre ausdruckslosen Blicke und ihr gezwungenes Lächeln prasselten die Worte meiner Mutter weiter auf mich ein. Selbst schockiert über das, was ich tat, riss ich den Arm hoch und fegte über das unterste Regalbrett. Die Porzellanköpfe stoben in alle Richtungen auseinander wie ein wütender Bienenschwarm. Die nächste und die übernächste Reihe von Vasen folgte. Ich nahm den Kopf, den Alison bei ihrem ersten Besuch bewundert hatte und der mich mit seiner missbilligenden, gebieterischen Miene immer an meine

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