Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
dienstlicher Besuch. Es gab keinen Grund, warum irgendwer wissen sollte, dass ich hier war.
    Ich stieg in den vierten Stock, wo ich auf dem Treppenabsatz Halt machte, um zu Atem zu kommen, bevor ich die Tür einen Spalt öffnete und in den Flur spähte. Niemand war zu sehen. Ich schlich leise den Korridor hinunter, als einer der Stationsärzte aus einem Krankenzimmer trat und direkt
auf mich zukam. Ich überlegte, den Kopf einzuziehen, mich nach einem imaginären Penny zu bücken oder sogar ins nächstbeste Zimmer zu schlüpfen, doch ich tat nichts von alledem. Stattdessen lächelte ich den jungen Arzt schüchtern an und bereitete mich darauf vor, ihm zu erklären, dass es mir schon sehr viel besser ginge, danke der Nachfrage. Doch das nichts sagende Lächeln, mit dem er meines erwiderte, sagte mir, dass er keine Ahnung hatte, wer ich war, und ich in meiner Straßenkleidung für ihn ebenso unsichtbar war wie in meiner Schwesternuniform. Ich hätte jede sein können.
    Genauer gesagt war ich niemand.
    Myra Wylie lag im Bett und starrte an die Decke, als ich die Tür aufstieß und ihr Zimmer betrat. »Bitte gehen Sie weg«, sagte sie, ohne zu schauen, wer dort war.
    »Ich bin’s Myra, Terry.«
    »Terry?« Sie wandte sich mir zu und lächelte mit den Augen.
    »Wie geht es Ihnen heute?« Ich trat ans Bett und fasste die knochige Hand, die sie mir entgegenstreckte.
    »Man hat mir gesagt, Sie wären krank.«
    »Das war ich auch. Aber jetzt geht es mir schon viel besser.«
    »Mir auch. Jetzt, wo Sie hier sind.«
    »Hat der Arzt schon nach Ihnen gesehen?«
    »Er war eben hier, hat herumgestochert und gebohrt und mir einen Vortrag darüber gehalten, dass ich mehr essen muss, wenn ich schön kräftig bleiben will.«
    »Da hat er Recht.«
    »Ich weiß. Aber irgendwie habe ich dieser Tage einfach keinen großen Appetit.«
    »Nicht mal auf ein Stück Marzipan?« Ich zog einen kleinen Marzipanapfel aus der Hosentasche. »Ich habe auf dem Weg bei der Konditorei gehalten.«
    »In dem Regen?«

    »So schlimm ist es nicht.«
    »Sie sind ein reizendes Mädchen.«
    Ich packte das Marzipan aus, zerbrach es in zwei Hälften, legte eines auf ihre Zungenspitze und freute mich an der Begeisterung in ihrem Blick. »Ich habe heute Josh getroffen«, erklärte ich ihr.
    Sofort verfinsterte sich ihre Miene wie der Himmel draußen. »Josh war hier?«
    »Nein. Ich bin nach Coral Gables gefahren.«
    »Sie sind nach Coral Gables gefahren?«
    »Zu ihm nach Hause.« Ich legte das zweite Stück Marzipan auf ihre Zungenspitze.
    »Zu ihm nach Hause? Warum?«
    »Ich wollte ihn sehen.«
    »Stimmt irgendwas nicht? Haben die Ärzte mir etwas verschwiegen?«
    »Nein«, versicherte ich eilig wie ein paar Stunden zuvor ihrem Sohn. »Es ging nicht um Sie. Es ging um mich.«
    Sorge umwölkte ihre milchigen Augen. »Alles in Ordnung mit Ihnen, mein Kind?«
    »Mir geht es bestens. Ich musste einfach nur mit Josh reden.«
    Myra sah mich verwirrt an und wartete, dass ich weiter sprach.
    »Er hat mir erzählt, dass er wieder mit seiner Frau zusammen ist.«
    »Ja.«
    »Er meinte, Sie wären nicht besonders glücklich darüber.«
    »Ich bin seine Mutter. Wenn es das ist, was er will, bin ich glücklich.«
    »Offenbar will er das.«
    »Ich bin wahrscheinlich bloß eine alte Frau, die sich zu viele Sorgen macht. Ich möchte nicht, dass ihm noch mal jemand so wehtut.«

    »Er ist jetzt ein großer Junge.«
    »Werden sie je wirklich erwachsen?«, fragte sie.
    »Wie lange wissen Sie es schon?«
    »Ich glaube, ich habe immer gewusst, dass sie irgendwann wieder zusammenkommen würden. Er hat nie aufgehört, sie zu lieben, nicht mal nach der Scheidung. Sobald sie anfing, versöhnliche Töne von sich zu geben, wusste ich, dass es nur noch eine Frage der Zeit war.« Myra wandte den Kopf von links nach rechts, weil sie keine bequeme Stellung mehr fand.
    »Lassen Sie mich das Kissen für Sie aufschütteln.«
    »Danke, mein Kind.« Sie hob lächelnd den Kopf, damit ich eines der flachen Kissen herausziehen konnte.
    »Ich wünschte, Sie hätten es mir gesagt«, erklärte ich ihr, während ich das Kissen knetete.
    »Das wollte ich auch. Aber nach allem, was ich Ihnen über sie erzählt hatte, kam ich mir ein bisschen albern vor. Ich hoffe, Sie verstehen das.«
    »Es hätte mir eine Menge Peinlichkeit erspart.«
    »Tut mir Leid, Liebes. Ich dachte nicht, dass es eine große Sache wäre.«
    »Ich bin den weiten Weg dorthin gefahren und habe mich komplett zum Narren gemacht.« Ein Laut

Weitere Kostenlose Bücher