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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
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nicht entdeckt zu werden? Konnte er nicht genau dasselbe getan haben?
    Doch nirgends war eine Spur von ihm auszumachen: keine achtlos auf dem Fußboden verstreuten, zerknitterten Kleidungsstücke, keine Sitzspuren auf den Möbeln, keine männlichen Gerüche, die die Luft durchdrangen und den Duft von Babypuder und Erdbeeren störten. Ich schlich auf Zehenspitzen zum Schlafzimmer, das große Schlachtermesser am Griff gepackt, sodass die Klinge von meinem Körper abstand wie der Dorn einer riesigen Rose.
    Doch auch im Schlafzimmer deutete nichts darauf hin, dass Lance noch hier wohnen könnte. Keine Hemden in den Schubladen, kein Koffer unter dem Bett, kein Rasierzeug im Medizinschrank. »Nichts«, sagte ich zu meinem Spiegelbild,
das mir in der langen scharfen Klinge des Messers entgegenblitzte. Konnte es sein, dass er wirklich weg war, dass er mit Denise abgereist war, wie Alison behauptet hatte?
    Und wenn ja, warum war K.C. dann noch hier? In welcher Verbindung stand er zu Alison?
    Ich legte das Messer auf die weiße Korbkommode, wo es auf der unebenen Oberfläche hin und her schaukelte, während ich die Schubladen durchsuchte. Sie waren weitgehend leer – ein paar Push-up-BHs von einem Versandhandel, ein halbes Dutzend Slips, diverse unbequem aussehende Strings und ein gelber, mit Hoppla-Lucy -Motiven bedruckter Schlafanzug.
    Wo war ihr Tagebuch? Das würde mir garantiert etwas verraten.
    Erst nachdem ich jede Schublade mehrmals durchsucht hatte, entdeckte ich das verdammte Ding auf dem Nachttisch neben ihrem Bett. »Dumm«, sagte ich im Tonfall meiner Mutter. »Es lag die ganze Zeit dort. Mach doch die Augen auf.« Ich marschierte zum Nachttisch, nahm das Tagebuch und schlug es beim letzten Eintrag auf.
    Alles bricht auseinander, las ich.
    Wie auf ein Stichwort hörte man eine Reihe von klopfenden Geräuschen wie kleine Explosionen, gefolgt von einer noch lauteren Stimme und erneutem Pochen. »Terry!«, rief die Stimme. »Terry, ich weiß, dass du da drin bist. Terry, bitte! Mach die Tür auf!«
    Ich ließ das Tagebuch aufs Bett fallen, stürzte ans Fenster und sah Alison, die mit K.C. im Schlepptau um mein Haus zur Hintertür rannte.
    »Terry!«, wiederholte sie beharrlich und schlug immer wieder mit der flachen Hand gegen die Hintertür. »Terry, bitte. Mach auf. Wir müssen reden.«
    »Sie ist nicht da«, sagte K.C.
    »Sie ist da. Terry, bitte. Mach die Tür auf.«

    Alison wendete sich abrupt zu dem Gartenhäuschen um. Hatte sie mich am Fenster gesehen? Ich drehte mich hilflos im Kreis und wusste, dass ich mich nirgends verstecken konnte.
    Ich saß in der Falle.
    Auf dem Weg zum Kleiderschrank fiel mir in letzter Sekunde das achtlos aufs Bett geworfene Tagebuch auf. Ich eilte zurück und legte es an seinen ordnungsgemäßen Platz auf dem Nachttisch, bevor ich über das Bett kletterte und die Kleiderschranktür genau in dem Moment hinter mir zuzog, in dem Alisons Schlüssel sich in der Haustür drehte.
    Meine Finger krümmten sich noch um den Türknauf, als mir einfiel, dass ich das Messer – das Ungetüm mit der spitz zulaufenden, zehn Zentimeter langen Klinge – auf der Kommode hatte liegen lassen. Dummes, dummes Mädchen , flüsterte meine Mutter mir ins Ohr. Das kann sie ja gar nicht übersehen .
    »Vielleicht war es nicht ihr Wagen«, sagte K.C. im Nebenzimmer. »Es gibt haufenweise schwarze Nissans.«
    »Es war ihr Wagen«, beharrte Alison mit hörbar verwirrter Stimme. »Warum hat sie ihn um die Ecke geparkt und nicht in ihrer Einfahrt?«
    »Vielleicht besucht sie eine Freundin.«
    »Sie hat keine Freundinnen. Ich bin ihre einzige Freundin.«
    »Kommt dir das nicht seltsam vor?«
    Es folgte eine lange Pause, in der es schien, als würden wir alle drei den Atem anhalten.
    »Wovon redest du überhaupt?«
    Ich hörte die schlurfenden Schritte zweier nervöser Menschen, die im Kreis laufen. Wie lange konnte es dauern, bis einer von ihnen ins Schlafzimmer kam und das Messer entdeckte? Wie lange, bis Alison nachsah, ob sich der schwarze Mann im Kleiderschrank versteckte?

    »Hör mal, Alison, es gibt da etwas, was ich dir sagen muss.«
    »Was denn?«
    Es folgte ein weiteres Schweigen, noch länger als zuvor. »Ich war nicht ganz ehrlich zu dir.«
    »Willkommen im Club«, murmelte Alison. »Pass auf, wenn ich’s mir recht überlege, bin ich jetzt, glaube ich, nicht in der Stimmung für diese Diskussion.«
    »Warte – du musst mich zu Ende anhören.«
    »Ich muss vor allem mal pinkeln.«
    Gütiger Gott,

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