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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
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berührt worden. »Das mit dem Pagenschnitt war eine gute Idee. Er steht Ihnen sehr gut.«
    »Finden Sie?« Sie lächelte freudig und stolz wie ein junges Mädchen.
    »Alle Schwestern auf der Station wollen jetzt von mir die Haare geschnitten bekommen. Sie sagen, ich hätte meinen Beruf verfehlt.«
    »Ich glaube, Sie haben gar nichts verfehlt.« Myra ergriff meine Hand und drückte sie.
    »Ich komme später noch mal rein, um Ihren Sohn zu begrüßen«, sagte ich augenzwinkernd.
    »Terry?«, rief sie, als ich schon fast aus dem Zimmer war. Ich drehte mich um und sah, dass sie sich mit den Fingern über die Lippen strich. »Vielleicht ein bisschen Lippenstift?«
    Ich wollte zum Bett zurückgehen.
    »Nein. Nicht ich«, sagte sie rasch. »Sie.«
    Lachend und kopfschüttelnd kehrte ich zur Tür zurück. Ich lachte immer noch, als ich auf den Flur trat und Alison vor dem Schwesterntresen stehen sah.
    »Terry!« Alison stürzte mit ausgestreckten Armen und vor Stolz gerötetem Gesicht auf mich zu. Sie trug ihr blaues Sommerkleid, und ihr Haar fiel locker und voll auf ihre Schultern. Um ihren Hals hing Erica Hollanders Kette, und
das winzige goldene Herz lag auf ihrem Schlüsselbein, als wäre es schon ein Leben lang dort gewesen.
    »Alison! Was machst du denn hier?« Ich blickte zu Margot und Caroline, die beide hinter dem langen geschwungenen Schreibtisch des Schwesterntresens beschäftigt waren, Margot telefonierte, Caroline machte eine Notiz auf dem Krankenblatt eines Patienten. Obwohl sie so taten, als würden sie uns gar nicht beachten, blickten sie beide in unsere Richtung.
    »Ich hab’s geschafft! Ich hab’s geschafft!« Alison hüpfte auf und ab wie ein kleines Kind.
    Ich legte einen Finger auf den Mund, um ihr anzudeuten, dass sie sich beruhigen und leiser sprechen sollte. »Was hast du geschafft?«
    »Ich habe einen Job«, quiekte sie, unfähig, sich zu beherrschen. »In der Galerie Lorelli auf der Atlantic Avenue. Vier Tage pro Woche, hin und wieder ein Samstag und manchmal abends. Schichtdienst«, sagte sie strahlend. »Wie du.«
    »Das ist ja toll«, hörte ich mich sagen, weil ihre Begeisterung trotz all meiner Vorsätze, Distanz zu wahren, einfach ansteckend war. »Was genau sollst du denn da machen?«
    »Ich arbeite im Verkauf. Natürlich weiß ich nicht viel über Kunst, aber Fern meinte, sie würde mir alles beibringen, was ich wissen müsste. Fern ist meine Chefin. Fern Lorelli. Sie macht einen sehr netten Eindruck. Kennst du sie?«
    Ich wollte vereinend den Kopf schütteln, doch Alison war schon weiter.
    »Ich habe ihr erklärt, dass ich nicht viel Ahnung von Kunst habe, weil ich mir gedacht habe, dass ich am besten ehrlich bin, richtig? Ich wollte nicht, dass sie mir den Job unter falschen Voraussetzungen gibt. Ich meine, sie würde es ja ohnehin schnell genug rauskriegen, oder? Aber sie hat gesagt, ich soll mir keine Sorgen machen, sie würde sich um die Kunst kümmern, während ich vor allem für den Schmuck und die Geschenkartikel zuständig sein soll. Aber wenn ich
es schaffe, eins der Bilder zu verkaufen, kriege ich eine Prämie. Fünf Prozent. Ist das nicht super?«
    »Wirklich toll«, stimmte ich ihr zu.
    »Einige der Bilder kosten mehrere tausend Dollar, das wäre doch fantastisch, wenn ich eins davon verkaufen könnte. Aber meistens stehe ich hinter der Kasse. Zusammen mit dem anderen Mädchen, das dort arbeitet, Denise Nickson heißt sie, glaube ich. Was noch? Oh – ich kriege zwölf Dollar die Stunde und fange am Montag an. Ist das nicht super?«
    »Das ist wirklich toll«, sagte ich noch einmal.
    »Ich konnte einfach nicht abwarten, es dir zu erzählen, deshalb bin ich direkt hierher gekommen.«
    »Glückwunsch.«
    »Darf ich dich zum Mittagessen einladen?«
    »Zum Mittagessen?«
    »Ja, um zu feiern. Ich lad dich ein.«
    Ich trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. Theoretisch hatte ich gerade Mittagspause, und mein Magen knurrte seit einer Stunde vernehmlich. »Ich kann nicht. Hier ist heute so viel los …«
    »Dann zum Abendessen?«
    »Ich kann nicht. Ich arbeite eine Doppelschicht.«
    »Dann morgen Abend«, beharrte sie. »Das ist sogar noch besser. Morgen ist Samstag, da kannst du am nächsten Tag ausschlafen. Morgen Abend hast du doch nicht auch schon was vor, oder?«
    »Nein«, sagte ich, und mir wurde klar, dass Alison sich nicht eher zufrieden geben würde, bis sie eine feste Verabredung getroffen hatte, selbst wenn sie dafür jeden Tag bis Weihnachten durchgehen musste.

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