Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird
über ihre kleinen, aber vollen Lippen, so als wäre sie sich nicht ganz sicher, ob es tatsächlich nett war, mich kennen zu lernen. Sie trug von Kopf bis Fuß Schwarz, was sie schlanker aussehen ließ, als sie in Wirklichkeit war, auch wenn ihre hohen Brüste unproportional groß wirkten.
»Ich glaube nicht, dass die echt sind«, sollte Alison später feststellen.
»Ich frage mich, was das Bild kostet«, sagte ich und deutete auf das Gemälde der Frau auf dem rosafarbenen Sandstrand.
Denise hob gelangweilt den Blick und schaute zur gegenüberliegenden Wand, bevor sie unter dem Tresen eine Liste in einer Plastikhülle hervorzog. »Fünfzehnhundert Dollar.«
»Für die Wand hinter deinem Sofa im Wohnzimmer«, sagte Alison erneut. »Was denkst du?«
»Ich denke, du fängst erst am Montag an«, erinnerte ich sie.
Alison lächelte strahlend. »Ich bin bestimmt super in dem Job, meinst du nicht auch?«
Ich lachte und wandte meine Aufmerksamkeit dem Schmuck zu, der in einer Vitrine in der Mitte des Raumes ausgestellt war. Dabei blieb mein Blick an einem Paar langer silberner Ohrringe in Form von Amoretten hängen.
»Sind sie nicht fantastisch?« Alison wusste genau, welches Paar ich betrachtete. »Wie viel kosten die?« Sie wies mit dem Finger auf die betreffenden Ohrringe.
Denise öffnete die Rückseite der Vitrine, nahm die Ohrringe heraus und hielt sie mir mit schlanken, von langen dunkelvioletten Nägeln gezierten Fingern hin. »Zweihundert Dollar.«
Ich machte erschrocken einen Schritt zurück. »Das übersteigt meine Verhältnisse.«
Alison nahm Denise die Ohrringe ab. »Unsinn. Sie nimmt sie.«
»Nein«, entgegnete ich. »Zweihundert Dollar ist viel zu viel.«
»Ich schenke sie dir.«
»Was? Nein!«
»Doch.« Behutsam zog Alison die schmalen goldenen Ohrringe heraus, die ich trug, und ersetzte sie durch die langen silbernen Amoretten. »Du hast mir ein Herz geschenkt«,
sagte sie und tätschelte das winzige goldene Herz an ihrem Hals. »Jetzt bin ich an der Reihe.«
»Das war doch etwas ganz anderes.«
»Ein Nein werde ich nicht akzeptieren. Außerdem kriege ich Angestellten-Rabatt. Wie viel kosten sie abzüglich meines Rabatts?«, fragte sie Denise.
Die junge Frau zuckte die Achseln. »Nimm sie. Sie gehören dir. Fern wird sie sowieso nicht vermissen.«
»Was soll das heißen?«, fragte ich und machte sofort Anstalten, die Ohrringe wieder abzulegen.
»Das meint sie nicht ernst«, sagte Alison und ließ mehrere 100-Dollar-Scheine wieder in ihrer Handtasche verschwinden, bevor sie mich rasch zum Eingang führte. »Fern ist ihre Tante«, erläuterte sie, als ob das als Erklärung ausreichen würde.
»Weiß sie, dass ihre Nichte eine Diebin ist?«
»Mach dir keine Sorgen. Ich regele das am Montag mit Fern.«
»Versprichst du mir das?«
Alison steckte mir lächelnd ein paar Strähnen hinter die Ohren, um meine neuen Ohrringe besser bewundern zu können. »Ich verspreche es.«
7
»Sie sehen entzückend aus!« Myra Wylie hob ihren Kopf leicht an und winkte mich mit knochigen, krallenartigen Fingern zu ihrem Bett.
Verlegen strich ich über mein gelbes Kleid, als ich näher trat. Myra hatte mich gebeten, sehen zu dürfen, was ich zum Essen mit ihrem Sohn tragen würde, und ich hatte mich in ihrem Bad umgezogen. Ich hatte mich für dasselbe Kleid entschieden, dass ich auch bei dem Essen mit Alison angehabt hatte.
»Vielen Dank, meine Liebe.« Myra ließ den Kopf zurück auf ein Kissen sinken, ohne den Blick von mir zu wenden. »Es ist wirklich reizend von Ihnen, mir Ihr Kleid zu zeigen. Meine ehemalige Schwiegertochter war für die Katz. Man konnte kein bisschen Spaß mit ihr haben. Sie hingegen …«
»Ich hingegen?«, hakte ich nach, begierig, mehr zu hören.
»Sie sind sehr gut zu mir.«
»Warum sollte ich das nicht sein?«
»Die Menschen sind nicht immer gütig«, sagte Myra, und ihr Blick verlor sich in einer fernen Erinnerung.
»Sie machen es einem auch sehr leicht«, erklärte ich aufrichtig, zog mir einen Stuhl neben ihr Bett und blickte beim Hinsetzen verstohlen auf meine Uhr. Es war halb eins.
»Keine Sorge«, sagte Myra mit einem wissenden Lächeln. »Er wird schon pünktlich kommen.«
Ich beugte mich vor und tat so, als würde ich das blaue Laken feststecken.
»Die sind ja entzückend«, sagte Myra. »Neu?«
Ihre knochigen Finger tasteten nach den von meinen Ohren baumelnden Amoretten. »Ja. Ein Geschenk.« Ich fragte mich, ob Alison die Angelegenheit wie versprochen
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