Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird
mit ihrer Chefin geregelt hatte.
»Von einem Verehrer?« Sorge trübte Myras Blick wie neue Katarakte in ihren wässrigen Augen.
»Nein, sie sind ein Geschenk von meiner neuen Mieterin.« Wieder trat mir Alisons Bild vor Augen. Am Montag hatte sie in der Galerie angefangen, und bis auf einen kurzen Anruf, in dem sie berichtet hatte, dass sie jede Minute in ihrem neuen Job genoss, hatte ich die ganze Woche nicht mit ihr gesprochen. »Und für Verehrer bin ich ja wohl ein bisschen zu alt, meinen Sie nicht?«
»Für Verehrer sind wir nie zu alt.«
»Was höre ich da über Verehrer?«, fragte eine dröhnende Männerstimme in der Tür.
»Da ist er«, sagte Myra, aufgeregt wie ein kleines Mädchen. »Wie geht’s dir, mein Schatz?« Sie breitete die Arme aus, ich trat aus dem Weg und sah zu, wie Josh seine Mutter umarmte.
»Perfekt«, sagte er und sah mich dabei direkt an.
»War der Verkehr schlimm?«
»Absolut furchtbar.«
»Du solltest den Turnpike nehmen.«
»Ja, sollte ich.« Er richtete sich auf und lächelte mich an. »Diese Diskussion haben wir jede Woche.«
»Sie sollten auf Ihre Mutter hören«, riet ich ihm.
»Ja, das sollte ich.«
»Sieht Terry nicht hinreißend aus?«, fragte Myra.
Ich blickte zu Boden, weil ich spürte, dass mein Gesicht rot anlief. Nicht weil mich das Kompliment verlegen machte, sondern weil ich genau dasselbe über ihren Sohn gedacht hatte. Ich glaube nicht, dass mir vorher aufgefallen war, wie tief seine Grübchen waren, wie muskulös sein Oberkörper unter dem kurzärmeligen Hemd. Ich hatte alle Mühe, nicht
verzückt laut aufzuschreien. So etwas war mir seit Jahren nicht mehr passiert.
»Sie sieht sehr schön aus«, antwortete Josh artig.
»Gefallen dir die Ohrringe?«
Als Josh seine Hand an mein Ohr führte, streifte er meine Wange. »Wirklich sehr apart.«
Ich spürte eine Hitzewallung, als hätte er ein Streichholz angezündet und an meine Haut gehalten. »Sie sind eine richtige Unruhestifterin, wissen Sie das?«, erklärte ich Myra, die ungeheuer selbstzufrieden wirkte.
»Sind Sie so weit?«, fragte Josh.
Ich nickte.
»Ich erwarte einen vollständigen Bericht nach dem Essen«, rief Myra uns nach.
»Ich mache mir Notizen«, rief ich zurück, als Josh mich in den Flur führte.
»Hätten Sie Lust, mit Blick aufs Meer zu essen?«, fragte er.
»Sie können Gedanken lesen.«
Wir fuhren zum Luna Rosa, einem gehobenen Restaurant am South Ocean Boulevard, dem Strand direkt gegenüber. Es war eines meiner Lieblingsrestaurants, bequem zu Fuß von meinem Haus aus zu erreichen, was Josh natürlich nicht wissen konnte. Er hatte einen Tisch draußen reserviert, und wir saßen auf dem schmalen Bürgersteig, atmeten die frische Seeluft und verfolgten die ununterbrochene Parade von Fußgängern, die an uns vorbeizog.
»Also, erzählen Sie mir, wann all das hier passiert ist?« Joshs wohlklingende Stimme übertönte den Verkehrslärm und das Meeresrauschen.
»Wann soll was passiert sein?« Ich beobachtete eine junge Frau in einem glänzenden türkisfarbenen String-Bikini, die barfuß über die Straße lief und im grellen Sonnenlicht verschwand.
Josh beschrieb einen angedeuteten Halbkreis mit seiner großen, ausdrucksstarken Hand. »Alles. Das Delray, an das ich mich erinnere, bestand nur aus Ananasfeldern und Dschungel.«
Ich lachte. »Sie kommen wohl nicht oft raus, was?«
»Wohl nicht.«
»Delray hat sich in den letzten zehn Jahren stark verändert«, erklärte ich mit unerwartetem Stolz. »Die National Civic League hat uns gerade zum zweiten Mal die Auszeichnung ›All-American City‹ verliehen, und vor ein paar Jahren sind wir zur Vorzeigekommune Floridas gewählt worden.« Ich lächelte. »Nicht schlecht für ein paar Ananasfarmer?«
Er lachte, ohne den Blick von mir zu wenden. »Sieht so aus, als sollte ich öfter mal vorbeischauen.«
»Ihre Mutter würde sich ganz bestimmt freuen.«
»Und Sie?«
Ich griff nach meinem Glas mit Eiswasser und trank einen großen Schluck. »Ich würde mich auch freuen.«
Der Kellner trat an unseren Tisch, um unsere Bestellung entgegenzunehmen, Krabbenpasteten für Josh, einen Meeresfrüchtesalat für mich.
»Ihre Mutter ist ein echtes Original«, sagte ich in dem Bemühen, wieder festeren Boden unter die Füße zu bekommen, und probierte einen Tintenfischring. Im Flirten war ich nie besonders gut, und wenn es darum ging, Spielchen zu spielen, war ich noch hoffnungsloser. Ich neigte dazu, jeden Gedanken hinauszuposaunen, der
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