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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
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hervorquollen und zu Boden segelten. Alison bückte sich und stopfte sie wieder in das kleine Silbertäschchen. Mir fiel das Bargeld wieder ein, das Alison mir als Kaution in die Hand gedrückt hatte, und ich musste unwillkürlich an die hundert Dollar in dem Portemonnaie denken, die aus Carolines Handtasche verschwunden waren. War es möglich, dass Alison sie genommen hatte?
    »Das ist doch albern«, sagte ich laut, während ich beobachtete, wie Alison eine Zahlenfolge in ihr Handy tippte. Alison hatte es nicht nötig, Fremde zu bestehlen. Ich sah, wie sie etwas in den Hörer flüsterte und lachte. Plötzlich fuhr sie herum, beinahe so, als hätte sie gespürt, dass ich sie
beobachtete. Ich drückte mich an die Wand und rührte mich nicht, bis ich ihre Haustür zuschlagen hörte.
    Eine Viertelstunde später stand ich in einem knielangen, blassgelben, ärmellosen Kleid mit tiefem Dekolleté vor ihr, das ich mir vor einem Jahr gekauft, mich jedoch nie zu tragen getraut hatte. »Tut mir Leid, dass es so lang gedauert hat. Meine Frisur wollte einfach nicht sitzen.«
    »Du siehst fantastisch aus.« Alison musterte mich mit dem geübten Blick einer Frau, die es gewohnt ist, in den Spiegel zu sehen. »Du musst bloß die Spitzen ein wenig nachschneiden«, verkündete sie nach einer Pause. »Das könnte ich für dich machen. Immerhin habe ich ein paar Monate in einem Frisörsalon gearbeitet.«
    »Am Empfang«, erinnerte ich sie.
    Sie lachte. »Ja, aber ich habe zugesehen und gelernt und bin mittlerweile ziemlich gut. Ich kann es nach dem Essen ja mal probieren, wenn du willst.«
    Ich dachte an den improvisierten Pagenschnitt, den ich Myra Wylie Anfang der Woche verpasst hatte. War ich genauso mutig? »Wohin führst du mich denn aus?«
    »Es ist ein neuer Laden direkt gegenüber der Galerie Lorelli. Ich habe schon angerufen und gesagt, dass wir ein bisschen später kommen.«
    Das Restaurant hieß Barrington’s und war wie viele Restaurants im Süden Floridas innen geräumiger, als es von außen den Anschein hatte. Der Hauptraum war nach Art eines französischen Bistros eingerichtet, jede Menge Tiffany-Lampen, Bleiglasfenster und Toulouse Lautrecs Tänzerinnen aus dem Moulin Rouge als Poster an den blassgelben Wänden, die leider genau die gleiche Farbe hatten wie mein Kleid, sodass ich ohne das üppige Dekolleté möglicherweise ganz verschwunden wäre.
    Der Kellner brachte einen Brotkorb, die Weinkarte und zwei große Speisekarten und trug uns die Tagesgerichte vor.
Sein Blick huschte zwischen Alison und meinem Busen hin und her. Gemeinsam, erinnere ich mich gedacht zu haben, könnten wir die Welt beherrschen.
    »Delfin!«, jaulte Alison entsetzt auf, als der Kellner genau das vorschlug.
    »Nicht Flipper«, erklärte ich rasch. »Dieser Delfin ist ein Fisch und kein Säugetier. Manchmal wird er auch Mahi Mahi genannt.«
    »Das klingt schon viel besser.«
    »Wie ist der Lachs?«, fragte ich.
    »Köstlich«, sagte der Kellner und sah Alison an. »Aber auch ein wenig langweilig«, fügte er mit einem Blick zu mir hinzu.
    »Und der Schwertfisch?«, fragte Alison.
    »Wunderbar«, schwärmte der Kellner. »Er wird in einer leichten Dijon-Senfsoße zubereitet und mit kurz angebratenem Gemüse und kleinen roten Kartoffeln serviert.«
    »Klingt super. Das nehme ich.«
    »Ich nehme den Lachs«, sagte ich mit dem Mut zur Langeweile und dem Risiko, von dem jungen Mann verspottet zu werden.
    »Dazu etwas Wein?«
    Alison wies mit der Hand auf mich, als wollte sie die Bühne mir überlassen. »Dazu etwas Wein?«, wiederholte sie.
    »Ich glaube, ich lasse den Wein heute aus.«
    »Du kannst doch den Wein nicht auslassen. Wir haben schließlich etwas zu feiern. Wir müssen ein Glas Wein trinken.«
    »Denk dran, was beim letzten Mal passiert ist«, warnte ich sie.
    Sie sah mich verwirrt an, als hätte sie ihren Migräneanfall von neulich komplett vergessen. »Wir nehmen Weißwein, keinen roten«, erklärte sie nach kurzer Überlegung. »Dann gibt es bestimmt kein Problem.«

    Der Kellner zählte die möglichen Alternativen auf, und Alison folgte seiner Empfehlung. Irgendetwas Chilenisches, glaube ich. Der Wein war gut, kalt und löste bei mir rasch einen angenehmen Glimmer aus. Der Service war langsam, sodass ich mein Glas bereits leer getrunken hatte, als das Essen kam. Alison schenkte mir nach, und ich protestierte nicht, obwohl mir auffiel, dass sie selbst nur ein paarmal an ihrem Glas genippt hatte. »Ooh, das ist superlecker«,

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