Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird
zischte Alison wütend und so heftig, dass ich sie auch draußen problemlos verstehen konnte.
»Ich will dir doch bloß helfen.«
»Ich brauche deine Hilfe nicht. Ich weiß, was ich tue.«
»Seit wann?«
Ich wollte wieder gehen, streifte dabei jedoch die Glöckchen an dem Türklopfer. Sofort wurde die Tür geöffnet. Vor mir stand Alison und sah mich fragend an. »Terry!«
Ohne zu überlegen, drückte ich ihr das Geschenk in die Hand. »Ich wollte dir das hier geben.«
»Oh, das ist aber süß von dir.« Sie drehte sich kurz um. »Das war aber nicht nötig.«
»Ich weiß, aber ich dachte …« Was dachte ich? »Hast du Besuch?«, vermutete ich vorsichtig.
Einen Moment lang herrschte ein angespanntes Schweigen, bis wie von Zauberhand ein attraktiver junger Mann hinter Alison auftauchte. Er war ein gutes Stück größer als sie, hatte helle Haut, dunkle, lockige Haare und die irritierend blauen Augen einer Siamkatze. Unter den kurzen Ärmeln seines schwarzen, engen T-Shirts zeichneten sich ausgeprägte Muskeln ab.
»Meinen Sie mich?«, fragte der junge Mann lächelnd und streckte an Alison vorbei seine Hand aus.
»Terry«, sagte Alison, den Blick auf die Wiese gerichtet und nach heute Nachmittag zum zweiten Mal zu verlegen, um mir in die Augen zu sehen. »Darf ich dir Lance Palmer vorstellen. Mein Bruder.«
12
»Freut mich, Sie kennen zu lernen«, sagte Lance und drückte mir überraschend sanft die Hand.
»Ich habe ihn nach Thanksgiving angerufen. Weißt du noch?«, fragte Alison.
Ich nickte und erinnerte mich an das einseitige Gespräch, das ich an dem Morgen mitgehört hatte, als mir so speiübel gewesen war.
Alles läuft genau wie geplant. Du musst einfach darauf vertrauen, dass ich weiß, was ich tue .
»Lance hat beschlossen, dass er mit eigenen Augen sehen muss, wie es mir ergeht.«
»Sieht so aus, als käme sie bestens zurecht«, verkündete Lance.
»Deswegen bin ich vorhin zu dir gekommen. Ich wollte dir von Lance erzählen«, erklärte Alison und bat mich ins Haus. »Wir sind irgendwie vom Thema abgekommen …«
Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte – ein Lametta bedecktes Wunderland, eine Armee von Spielzeugen oder eine Nachbildung des Nordpols? Doch das kleine Häuschen wies kaum Spuren des bevorstehenden Weihnachtsfests auf: Auf dem gläsernen Couchtisch vor dem dunkelvioletten Zweisitzer stand inmitten mehrerer lieblos arrangierter Palmwedel eine große rote Kerze, und auf dem Rohrschaukelstuhl lag ein einsamer Nikolaus mit dem Gesicht nach unten. Das war alles.
»Möchtest du etwas trinken?«, bot Alison an.
Ich schüttelte den Kopf und beobachtete, wie Lance sich auf den großen Sessel mit dem geblümten Bezug lümmelte.
Der fühlt sich hier ein bisschen zu wohl, dachte ich und kaschierte meine Missbilligung mit einem Räuspern. »Wann sind Sie denn angekommen?«
»Das Flugzeug ist gegen halb eins in Fort Lauderdale gelandet.« Er lächelte Alison an. »Ich hab am Flughafen einen Wagen gemietet. Einen schicken weißen Lincoln. Steht gegenüber. Sie müssen ihn gesehen haben. Ich hab die alte Schlafmütze hier überrascht, als sie gerade aufstehen wollte.«
Alisons Augen wurden schmal, und ihre Schultern verspannten sich.
»Wo wohnen Sie?«, fragte ich.
Die beiden waren auf der Hut.
»Darüber haben wir gerade geredet«, setzte Alison an.
»Ich dachte, ich könnte ein paar Tage hier bleiben«, sagte Lance, als wäre die Entscheidung bereits getroffen.
»Hier?«, wiederholte ich, weil mir nichts anderes einfiel.
»Natürlich nur, wenn du nichts dagegen hast …«, sagte Alison rasch.
»Warum sollte sie etwas dagegen haben?«, fragte Lance und sah mich direkt an.
»Aber wo wollen Sie denn schlafen?« Das Sofa war zu kurz für die überlangen Beinen eines ehemaligen High-School-Basketballspielers, das Doppelbett zu schmal, als dass Bruder und Schwester bequem darin schlafen könnten.
»Das ist doch ein prima Sessel.« Lance klopfte auf die breiten Armlehnen. »Außerdem kann ich mich jederzeit mit einem Kissen auf den Boden hauen.«
»Ist das in Ordnung?«, fragte Alison erneut. »Denn wenn nicht, kann sich Lance auch ein Motelzimmer suchen. Ganz ehrlich.«
»Um diese Jahreszeit? Ohne Reservierung? Darauf würde ich mich nicht verlassen.«
»Ich möchte nicht, dass du dich irgendwie unwohl fühlst«, sagte Alison.
»Auf gar keinen Fall«, pflichtete Lance ihr bei. »Wenn Ihnen mein Aufenthalt irgendwie unbehaglich wäre …«
»Es geht mir vielmehr um Ihre
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